Asyl: Traiskirchen light mal sieben

Asylwerber in Traiskirchen
Asylwerber in TraiskirchenAPA/HELMUT FOHRINGER
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Heute öffnen nicht nur die ersten Verteilerzentren. Auch das neue Asylsystem von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner soll starten. Was sich ändert – und was wohl gleich bleiben wird.

Wien. Das erste Mal stellte sie die Idee vor einem Jahr in den Raum: Die Erstversorgung in Österreich müsse neu organisiert werden, meinte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner im Juli 2014. Sie preschte damals schon mit einem groben Konzept vor: Die Erstaufnahmezentren Thalham im Attergau und Traiskirchen sollte es in der damaligen Form nicht mehr geben. Dafür mehrere, kleinere sogenannte Verteilerzentren. Fast auf den Tag genau zwölf Monate später werden die ersten dieser Zentren eröffnet – auch wenn nicht jeder Punkt nach Mikl-Leitners Plan gelaufen ist. In der Zeitspanne dazwischen wurde viel gestritten, verhandelt – und Entscheidungen wurden nach hinten verlegt. Mit den Zentren soll die gesamte Asylreform in die Praxis umgesetzt werden.

Seit Freitag gibt es in der Nova-Rock-Halle im burgenländischen Nickelsdorf an der Grenze zu Ungarn eine Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge. Das hat das Innenministerium entschieden. Rund 100 Flüchtlinge sollen für höchstens 48 Stunden untergebracht werden. In Tirol und Vorarlberg werden Tennishallen als Asylgroßunterkünfte genützt.

1. Wie war die Erstversorgung bisher in Österreich organisiert?

Bisher wurde jeder Flüchtling in eines von zwei Erstaufnahmezentren gebracht: nach Thalham (Oberösterreich) oder Traiskirchen (Niederösterreich). Wurde sein Antrag auf Asyl angenommen, kam der Betroffene in die Obhut der Bundesländer – bis er einen positiven oder negativen Bescheid bekam. Da aber die meisten Länder nicht genügend Quartiere zur Verfügung stellten, waren die Erstaufnahmezentren chronisch überbelegt.

2. Was ändert sich nun mit den neuen Verteilerzentren genau?

Statt der zwei großen Zentren soll es mehrere kleinere Quartiere geben. Tirol und Vorarlberg bzw. Wien und das Burgenland kooperieren, daher werden nur sieben Verteilerzentren eröffnet (siehe Grafik). Die Erstaufnahme findet österreichweit statt. So sollen Flüchtlinge von Anfang an fairer verteilt werden. Ist das Erstaufnahmezentrum beispielsweise in Tirol voll und jenes in Salzburg nicht ausgelastet, werden Flüchtlinge dort hingebracht.

3. Was bedeutet es in der Praxis für Flüchtlinge, die nach Österreich kommen?

An der Polizeistelle wird eine Ersteinschätzung vorgenommen, sprich: Ist Österreich für das Asylverfahren zuständig? Scheinen etwa Fingerabdrücke bereits in der EU-Datenbank auf, ist klar: Nach dem Dublin-Abkommen ist das erste EU-Land, das der Flüchtling nachweislich betreten hat, für die Versorgung zuständig. Diese Fälle werden vorerst nach Traiskirchen gebracht, wo der Fokus darauf gelegt ist. Ist Österreich für das Verfahren zuständig, kommt der Asylwerber im Regelfall in jenes Bundesland, in dem er den Antrag auf Asyl stellt. Ist es der Person zumutbar, allein zum Verteilerzentrum zu reisen (und ist es öffentlich erreichbar), bekommt sie einfach eine Fahrkarte. Familien mit Kleinkindern oder Schwangere werden transportiert.

4. Ist das Problem des Quartiermangels in Österreich nun gelöst?

Nein. Das Problem wird höchstens gelindert. Nach der Erstversorgung in den Verteilerzentren sollen Flüchtlinge rasch in fixe Unterkünfte gebracht werden – dort warten sie auf ihren Asylbescheid. Dafür müssen die Länder aber dringend Quartiere zur Verfügung stellen. Machen sie das nicht, behält sich das Innenministerium eine Maßnahme vor: Der Bund soll ohne Rücksprache eigene Einrichtungen vor Ort schaffen können.

(C) DiePresse

5. Heißt das, die Zelte werden auch weiterhin in Österreich stehen?

Ja – zumindest zum Teil und für eine gewisse Zeit. In Oberösterreich werden zwar die Zelte ab heute, Montag, abgebaut. Allerdings nur, weil das Land sich um Alternativunterkünfte bemüht hat. Flüchtlinge sollen über die Sommermonate in Schulen und Internaten unterkommen. Salzburg plant wiederum die Errichtung von Containern. Im Burgenland und Kärnten werden die Zelte wohl auch noch eine Weile bestehen bleiben.

6. Sind ab heute alle sieben Verteilerzentren in Betrieb?

Nein. Die Öffnung findet in Etappen statt. Einige Zentren sind ohnehin schon seit Längerem als Flüchtlingsquartier in Betrieb, etwa jenes in Traiskirchen. In Oberösterreich bleibt Thalham weiter bestehen, das Verteilerzentrum steht allerdings in Bad Kreuzen. Wien und Salzburg sind ebenfalls schon eingespielt. Gänzlich neu sind die Zentren in Tirol, der Steiermark und in Kärnten. In Innsbruck ist eine Containerstadt vorgesehen, in Fehring wird die örtliche Kaserne neu genutzt. Kärnten ist ein Spezialfall: Provisorisch wird das Zeltlager in Krumpendorf genutzt. Längerfristig ist ein ehemaliges Erholungsheim in Ossiach vorgesehen.

7. Was enthält die Asylreform der Innenministerin eigentlich noch?

Der zweite große Kernpunkt der Novelle ist das sogenannte Schnellverfahren: Menschen, die aus einem von der Regierung ernannten „sicheren Herkunftsland“ kommen, sollen in Zukunft um einiges rascher wieder rückgeführt bzw. abgeschoben werden. Neu ist auch, dass das Schnellverfahren eingeleitet wird, wenn sich Personen weigern, ihre Fingerabdrücke abzugeben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.07.2015)

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