Das Williams-Team schickt sich an, Ferrari zu überholen, bei Massa werden in Budapest aber Erinnerungen an seinen Unfall wach. Eine Schweigeminute soll an Jules Bianchi erinnern.
Budapest. Mercedes fährt in der Formel 1 weiterhin allen auf und davon. An diesem Status wird sich bis Saisonende womöglich nichts ändern, damit wird der Kampf um den WM-Titel wie schon im Vorjahr team-intern zwischen Lewis Hamilton und Nico Rosberg entschieden. Dahinter aber werden die Abstände enger, das Interesse wächst – denn ein kleiner englischer Traditionsrennstall schickt sich nun vor dem letzten GP vor der Sommerpause an, der Scuderia Ferrari den Rang abzulaufen.
Im Verfolgerrennen hat Williams gehörig Fahrt aufgenommen. Im Ungarn-Grand-Prix am Sonntag (14 Uhr live ORF1, RTL, Sky) wollen Felipe Massa und Valtteri Bottas ihre Aufholjagd fortsetzen. „Wir sollten darauf schauen, ein starkes Wochenende zu haben und auf unserem Momentum aufbauen“, sagt Bottas. Dass er seinen Landsmann Kimi Räikkönen nach Saisonschluss bei Ferrari „beerben“ soll, verleiht diesem Ansatz weitere Brisanz. Bottas verliert dazu aber (noch) kein einziges Wort.
Der Finne und sein brasilianischer Teamkollege sind auf dem 4,381 Kilometer langen Hungaroring Kandidaten für einen Podestplatz hinter dem Mercedes-Duo. Zuletzt in Silverstone hatten beide nach brillanten Starts sogar Siegchancen, ehe Strategiefehler den Podestplatz kosteten. In Mogyoród möchte Williams eine ähnliche Schmach vermeiden. Massa ist zuversichtlich, dass er im letzten Rennen vor der vierwöchigen Sommerpause eine gute Rolle spielen kann. „Normalerweise liegt der Kurs unserem Auto wegen seiner niedrigen Geschwindigkeit nicht, aber wir haben es in den letzten Rennen durch Weiterentwicklungen verbessert“, erklärte der 34-Jährige. „Wir sollten deshalb wieder sehr konkurrenzfähig sein.“
Massa hat an Ungarn allerdings auch besondere Erinnerungen. Vor sechs Jahren erlitt er auf dem Berg-und-Tal-Kurs schwere Kopfverletzungen, als im Qualifying eine aufwirbelnde Stahlfeder seinen Helm durchschlug. „Ich habe seit meinem Unfall 2009 viele Fans hier. Die Leute unterstützen mich seither sehr.“
„Jules in meinen Gebeten“
Die tief bewegende Trauerfeier für Jules Bianchi hat das sportliche Geschehen zumindest vorübergehend zur Nebensache gemacht. Der emotionale Abschied von ihrem früheren Kollegen am Dienstag in der Cathedrale Sainte-Reparate in Nizza bedrückte und belastete viele Fahrer.
„Es war unglaublich hart, von Jules Abschied zu nehmen“, betonte etwa Hamilton. „An diesem Wochenende wird jeder im Fahrerlager die gleichen Gefühle teilen“, versicherte Rosberg.
Vor dem zehnten Saisonlauf soll eine Schweigeminute an den Marussia-Piloten erinnern. Der Franzose, 25, war neun Monate nach seinem schweren Unfall im Japan-GP in Suzuka gestorben. „Ich werde Jules in meine Gebete und Gedanken einschließen, nicht nur bei diesem Rennen, sondern bei allen weiteren in meiner Rennfahrerkarriere“, erklärte Hamilton.
Beispiele für Duelle im Grenzbereich haben beide Silberpfeil-Rivalen schon oft selbst erlebt. Berühmt-berüchtigt waren der handfeste Hauskrach vor einem Jahr auf ebendiesem Hungaroring und vier Wochen später die „Reifenschlitzaffäre“ von Spa-Francorchamps. Rosberg machte nun vor dem Ungarn-GP kein Hehl daraus, dass das einst freundschaftliche Verhältnis zwischen ihm und Hamilton längst abgekühlt ist. „Ich finde, es ist neutral“, sagte der Deutsche. Sie beide hätten nun mehr Erfahrung im Umgang mit dieser Situation. Der Konkurrenzkampf sei nicht weniger intensiv als im Vorjahr, „aber anders“.
Anders ist für Rosberg, dass er im Gegensatz zu 2014 die WM vor Ungarn nicht anführt, sondern mit 177 Punkten als Gesamtzweiter 17 Zähler hinter Hamilton (194) liegt. Dass Hamilton aber ausgerechnet in Ungarn patzt, ist nicht zu erwarten. Mit vier Siegen hält der Engländer gemeinsam mit Michael Schumacher den Rekord auf dem Hungaroring. (fin)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.07.2015)