Österreichs Nationalteam, in Topf 2 gesetzt, blickt gespannt zur heutigen Auslosung nach St. Petersburg. Große Namen fürchtet man weniger als weite Auswärtsreisen.
St.Petersburg. Wladimir Putin und Joseph Blatter lieben große Bühnen. Und so ist es wenig verwunderlich, dass sowohl Russlands Präsident als auch der scheidende Fifa-Chef im Rahmen der heutigen Auslosung zur Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2018 (17Uhr, live, ORF eins) Begrüßungsreden halten werden. Speziell Blatters Auftritt wird mit Spannung erwartet, es ist die erste Dienstreise des Schweizers ins Ausland seit der Festnahme von sieben Fifa-Funktionären vor zwei Monaten in Zürich und seiner folgenden Rücktrittsankündigung. Besuche bei der U20-WM in Neuseeland und der Frauen-WM in Kanada hat Blatter ebenso abgesagt wie seine Teilnahme an der IOC-Vollversammlung in der kommenden Woche in Kuala Lumpur.
Für den Österreichischen Fußballbund wird all dies zur Nebensache, wenn Größen wie der Brasilianer Ronaldo, Diego Forlán, Fabio Cannavaro oder Samuel Eto'o heute in St.Petersburg als Los-Assistenten in Erscheinung treten. Österreich wird dabei aus Topf zwei gezogen werden, Spiele gegen sich ebenfalls in diesem Topf befindliche Nationen wie Italien, Schweiz oder Frankreich sind damit ausgeschlossen. Aus Topf eins drohen Weltmeister Deutschland oder Europameister Spanien, aber auch vermeintlich angenehmere Konkurrenten wie Aufsteiger Wales oder Rumänien.
Der weite Weg nach Russland
Auslosungen sind bekanntermaßen immer auch ein Stück weit Fortuna überlassen. ÖFB-Präsident Leo Windtner, der bei der Zeremonie im prunkvollen Konstantinpalast zugegen sein wird, spricht ungern über Wunschgegner. Er sagt: „Darüber nachzudenken wäre sinnlos, weil es sowieso nicht eintrifft.“ Als aktuelle Nummer 15 der Fifa-Weltrangliste schrammte Österreich nur knapp an Topf eins vorbei, Windtner kann dem Umstand aber auch Positives abgewinnen. „Auch in Topf zwei gibt es eine Reihe großer Kaliber, die wir jetzt vermeiden können“, bemerkt der 64-Jährige und denkt dabei an Italien oder Frankreich.
Das über die vergangenen Jahre angehäufte Selbstvertrauen tragen Österreichs Fußballer stolz zur Schau, Siege wie gegen Russland sorgen für eine breite Brust. „Unser Team wird vor großen Namen nicht einknicken“, versichert Windtner, der über das Bestreben spricht, „erstmals seit 20 Jahren wieder bei einer WM dabei zu sein.“ Der Weg dorthin ist, unabhängig von den Konkurrenten, ein weiter. Nur die neun Gruppensieger qualifizieren sich direkt für die Endrunde (von 14.Juni bis 15.Juli 2018). Die acht besten Gruppenzweiten spielen im Play-off die vier übrigen Startplätze für Europa aus.
Drei Jahre vor dem Anpfiff zur 21.Fußball-WM lässt sich mit Gewissheit sagen, dass Russland 2018 ein politisches Turnier wird. Ein Indiz dafür ist auch ein Angebot des Gastgebers an Weltmeister Deutschland. Im früheren Stalingrad, heute Wolgograd, könnte die dortige WM-Arena mit einem Testspiel der Sbornaja gegen das DFB-Team eingeweiht werden. „Wir würden solch ein Spiel hier begrüßen. Es wäre ein Spiel des Friedens“, sagte der Gouverneur von Wolgograd, Andrej Botscharow, bei einem Medientermin auf der Baustelle der Victory Arena. Zwischen Wolgaufer und dem berühmten Denkmal „Mutter Heimat ruft“ auf dem Mamajew-Hügel, das an die Schlacht von Stalingrad im Zweiten Weltkrieg erinnert, wird derzeit das 45.000 Zuschauer fassende Stadion gebaut. Ende 2017 soll die „Siegesarena“ fertiggestellt sein. Eine Reaktion des Deutschen Fußballbundes oder des russischen Fußballverbands, die ein Freundschaftsspiel vor dem WM-Turnier vereinbaren müssten, ist noch ausständig; angesichts der Vergangenheit erscheint dieses Duell mit Symbolcharakter aber durchaus als wahrscheinlich.
Unter Bundestrainer Joachim Löw hat Deutschland seit 2008 vor allen Turnieren in Europa ein Spiel beim kommenden Gastgeber bestritten. Am 13.November tritt der Weltmeister in Paris für einen Test gegen den kommenden EM-Ausrichter Frankreich an. Ausflüge nach Russland aber haben Seltenheitswert. Nach dem Zweiten Weltkrieg trat die DFB-Auswahl erst sechsmal in Russland oder der früheren Sowjetunion an. Zuletzt am 10.Oktober 2009, als beim 1:0-Sieg durch ein Tor von Miroslav Klose in Moskau die Qualifikation für die WM 2010 gesichert wurde.
DER WEG NACH RUSSLAND 2018: DIE LOSTÖPFE
Topf 1: Deutschland, Belgien, Niederlande, Portugal, Rumänien, England, Wales, Spanien, Kroatien.
Topf 2: Slowakei, Österreich, Italien, Schweiz, Tschechien, Frankreich, Island, Dänemark, Bosnien und Herzegowina.
Topf 3: Ukraine, Schottland, Polen, Ungarn, Schweden, Albanien, Nordirland, Serbien, Griechenland.
Topf 4: Türkei, Slowenien, Israel, Irland, Norwegen, Bulgarien, Färöer, Montenegro, Estland.
Topf 5: Zypern, Lettland, Armenien, Finnland, Weißrussland, Mazedonien, Aserbaidschan, Litauen, Republik Moldau.
Topf 6: Kasachstan, Luxemburg, Liechtenstein, Georgien, Malta, San Marino, Andorra.
Modus: Die neun Gruppensieger qualifizieren sich direkt für die Endrunde, die acht besten Gruppenzweiten spielen im Play-off um die vier übrigen Plätze, die Europa bei der WM zustehen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.07.2015)