Extremismus: Übte Prediger den Kampf im Wald?

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Für die Behörden ist Imam Ebu Tejma der "Hauptideologe" für den Jihad. Er dürfte - das legen Recherchen nahe - jedoch auch den praktischen Kampf geprobt haben.

Wien. Ende November 2014 war es mit der – in salafistischen Kreisen durchaus beachtenswerten – Predigerkarriere von Mirsad O. mit einem Schlag vorbei. Sie endete in dem Moment, in dem Spezialkräfte des Einsatzkommandos Cobra die Tür zu seiner Wiener Gemeindewohnung eintraten. O., der als Ebu Tejma in zahlreichen Gebetshäusern und in im Internet veröffentlichten Videos aufgetreten war, sitzt seither in Untersuchungshaft. Für die zuständige Staatsanwaltschaft ist er der „Hauptideologe für den globalen jihadistischen Islamismus“.

Jener Mann, der laut Behörden vom sicheren Österreich aus zahlreiche junge Männer und Frauen dazu bewegt haben soll, sich in Syrien und im Irak al-Qaida oder dem Islamischen Staat anzuschließen, dürfte neben seinen ideologischen Fertigkeiten jedoch auch eine praktische Seite gehabt haben. Rechercheergebnisse legen nahe, dass sich O. vor seiner Festnahme auch mit dem Thema Kampf ernsthaft auseinandergesetzt hat. Und das nicht nur, wie einst von der Austria Presse Agentur berichtet, in einem Kampfsportklub für tschetschenische Muslime.

„Presse“-Recherchen zufolge hat der 33-Jährige nämlich Faustfeuerwaffen der Marken Glock und Walther in Bosnien beschafft und illegal nach Österreich eingeführt. Auch eine Waffenlieferung an eine tschetschenische Gruppierung im Inland soll zumindest geplant gewesen sein.

Diese Informationen klingen nicht unschlüssig, da O., selbst ethnischer Bosnier mit serbischem Pass, in der Vergangenheit mehrfach die bosnische Islamistenhochburg Gornja Maoča besucht hat und zwischen Wien und dem abgeschiedenen Dorf pendelte. Zudem erfuhr „Die Presse“ bei Recherchen in heimischen Militärkreisen, dass das Balkanland schon seit längerer Zeit eine ergiebige Quelle für den europäischen Schwarzhandel mit Handfeuerwaffen und Munition ist.

Als eine Art bosnische Spezialität gelten alte Kriegswaffen vom Typ Kalaschnikow. Nach dem Ende der Balkan-Kriege fanden viele dieser Karabiner ihren Weg in dunkle Kanäle. Und mit eben so einer Kalaschnikow soll Mirsad O. in den abgelegenen Regionen Bosniens eine größere Menge an Munition zu Übungszwecken verschossen haben.

Was tat O. in bosnischen Bergdörfern?

„Die Polizei hat dieses Detail bisher nicht weiter verfolgt“, sagt O.s Verteidiger Lennart Binder auf Anfrage zu den Recherchen. Der Anwalt hatte in der Vergangenheit mehrfach darauf hingewiesen, dass die Behörden versuchen würden, seinem Mandaten „alles in die Schuhe zu schieben“. Keinesfalls habe O. Leute dazu animiert, in den Jihad zu ziehen, hatte Binder stets betont. Im Gegenteil. Mirsad O. habe in einem den Ermittlern gegenüber genannten Fall sogar versucht, die betreffende Person von ihrer gefährlichen Reise abzuhalten.

Dennoch lässt sich aus den beschriebenen Erkenntnissen und der Veröffentlichung einer britischen Tageszeitung eine weitere Theorie zum Wirken Ebu Tejmas konstruieren. Vor zwei Wochen veröffentlichte der „Daily Mirror“ eine Reportage aus dem ebenfalls bosnischen Dorf Ošve, in dessen Umfeld bekannte Islamisten Grundstücke gekauft haben sollen, um dort Kämpfer für die Terrormiliz Islamischer Staat in Syrien auszubilden. Ošve liegt gerade einmal 50 Kilometer Luftlinie von Gornja Maoča entfernt und stand bis vor einem halben Jahr unter dem Einfluss des inzwischen inhaftierten Islamisten Izet H. Ist es möglich, dass auch einst Ebu Tejma Schießübungen oder eine Kampfausbildung in dem abgelegenen Ort absolviert hat? Sein Anwalt Lennart Binder beantwortet die Frage so: „Bei den Befragungen durch die Polizei war das nie Thema.“ Der Anwalt vertritt die Ansicht, dass sein Mandant inzwischen zur Projektionsfläche von Verschwörungstheorien geworden ist.

Dennoch haben Izet H. aus Ošve und Mirsad O. noch eine weitere Gemeinsamkeit: Beide wurden im vergangenen November fast zeitgleich festgenommen. O. sitzt seit inzwischen acht Monaten in Untersuchungshaft. Anklage wurde bisher nicht erhoben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.08.2015)

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