Wiener Festwochen: "Yvonne, die Burgunderprinzessin"

(c) APA (Hans Klaus Techt)
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Luc Bondy (Regie) und Philippe Boesmans (Musik) haben „Yvonne, die Burgunder-Prinzessin“ auf die Opernbühne gehievt. Ohne Grund. Herausragend: Dörte Lyssewski in der Titelrolle.

Lacrimosa dies illa“, stimmt am Schluss der Hofstaat an – und in der Tat konnten einem die Tränen kommen im Theater an der Wien. Nicht etwa, weil die Vorstellung so bewegend, die Musik so intensiv gewesen wären bei der österreichischen Erstaufführung der Oper „Yvonne, princesse de Bourgogne“.

Sondern aus Trauer um zweieinhalb Stunden Zeit. Denn so lange dauert es, bis Yvonne endlich an der erlösenden Gräte krepiert. Alle haben ihr den Tod gewünscht – und nachgeholfen: der Prinz, der sich mit ihr verlobt hat, aber nur mit Gewalt von ihr loskommen kann. Der König, den sie an seine alten Sünden erinnert. Die Königin, die entsetzt erkennt, dass ihre geheim geschriebenen Gedichte Yvonne gleichen. Allen war sie schrecklich, ohne dass jemand die genauen Gründe hätte nennen können. Der ach so guten Gesellschaft erschien sie einfach „hässlich wie die Nacht“, ein „Schwabbeltier“. Projektion der eigenen Widerlichkeit? Ausgrenzung des Anderen, vielleicht Behinderten? Oder doch „nur“ eine Erzählstrategie des guten, alten Theaters des Absurden?

Wie dem auch sei: Nach einer Opernfassung schien Witold Gombrowicz' Drama (letzte Wien-Premiere: Volkstheater 2006) nicht unbedingt zu betteln – und hätte zu diesem Zwecke wohl einer Persönlichkeit vom Format etwa György Ligetis bedurft. Stattdessen handelt es sich hier um die vierte Zusammenarbeit des belgischen Komponisten Philippe Boesmans mit Festwochen-Intendant Luc Bondy, der mit Marie-Louise Bischofberger für das gestraffte, leicht aktualisierte Libretto und die Inszenierung verantwortlich zeichnet. Diese geriet sauber, fast penibel gearbeitet, handwerklich unanfechtbar. Bondy verankert manch Absurditäten der Handlung in einer präzis-realistischen Logik, spart nicht mit erhellenden Seitenhieben auf das bigotte Personal, bei dem sogar noch das höfische Kollektiv („Les jeunes solistes“) nicht anonyme Masse bleibt, sondern zum Sammelsurium schrulliger Individuen wird. Die zwischen Historie und dem Look von David Lynchs „Eraserhead“ vermittelnden Kostüme und Frisuren von Milena Canonero unterstützen dies ebenso schön wie Richard Peduzzis Bühnenbild. Doch damit senkt sich auch ein lastender Schleier des Braven, Abgerundeten, Gediegenen über das Ganze. Wo sogar im Libretto noch bewusste Brüche eingearbeitet waren, indem etwa ein Darsteller im Publikum postiert wird, der an einer Stelle aufspringt und ins Geschehen eingreift, domestiziert Bondy dergleichen völlig: Guillaume Antoine als Innocent steht einfach mit auf der Bühne.

Kunterbunte Zirkuswelt der Klänge

Boesmans' Musik macht das alles auf schmerzliche Art noch deutlicher, schmiegt sich mit einer kunterbunt-eklektizistischen Zirkus- und Wunderwelt der Klänge zwischen Wagner und Strauss, Janá?ek und Offenbach illustrierend und verdoppelnd ans Geschehen an, ohne je etwas Erhellendes, Vertiefendes beitragen zu können: Da lässt uns ein Tubasolo wissen, dass Yvonne ungefähr so liebreizend ist wie Fafner in der Neidhöhle, das Fagott hingegen, dass sie es durchaus mit Salome aufnehmen kann. Garniert mit allerlei kindlich anmutendem Geklingel und ironischen Hänseleien wirkt das oft hübsch, aber vor allem im zweiten Teil auch gnadenlos ermüdend. Denn da fehlt Yvonne über weite Strecken auf der Bühne, dieses unangefochtene Zentrum der Aufführung: Es reute einen jedes Mal, den Blick von Dörte Lyssewski auch nur für Sekunden abgewendet zu haben. Bis auf ein paar Wortbrocken nahezu stumm, aber ungeheuer beredt, ausdrucksvoll und poetisch feixte sie, bohrte in der Nase, fraß Dreck vom Boden – und spielte damit das recht homogen besetzte Gesangsensemble mühelos an die Wand. Paul Gay als König und Yann Beuron als Prinz ragten da dezent hervor, während die veritable Arie der Königin, seltsam anmutend inmitten sonst dahinplätschernder Parlandos, zarterer Töne bedurft hätte, als sie Mireille Delunsch zur Verfügung standen.

Das Klangforum Wien unter Sylvain Cambreling vertiefte sich mit gewohnter Präzision und Klangschönheit in die Partitur. Warum sich dieses sonst so wählerische Ensemble für eine Musik einsetzte, die es für seinen Konzertzyklus gewiss verschmäht hätte? Ein weiteres Rätsel an diesem sehr freundlich und duldsam beklatschten Abend.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.05.2009)

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