Wilde Abgeordnete als teure Zuhörer im Parlament

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Wer keinem Klub angehört, bekommt zwar 8583 Euro Gehalt und die Mittel für einen Mitarbeiter. Aus dem parlamentarischen Entscheidungsprozess sind wilde Abgeordnete aber praktisch ausgeschlossen.

Wien. Jetzt sind es schon drei: Jessi Lintl hat den Parlamentsklub des Team Stronach verlassen, sich im Gegensatz zu den anderen Abtrünnigen (Marcus Franz, Georg Vetter, Kathrin Nachbaur, Rouven Ertlschweiger) aber nicht dem ÖVP-Klub angeschlossen. Sie ist nun parteifreie Abgeordnete, ebenso wie die früheren freiheitlichen Mandatare Gerhard Schmid und Rupert Doppler, die nach dem Parteiausschluss ihres Salzburger Landesparteichefs Karl Schnell den FPÖ-Klub verlassen haben.

Wilde Abgeordnete beziehen weiterhin ihr Gehalt von 8583 Euro im Monat, und sie können einen Mitarbeiter beschäftigen – in den parlamentarischen Prozess sind sie aber kaum noch eingebunden. In den Ausschüssen, in denen ein wesentlicher Teil der Entscheidungen fällt, sind sie als Zuhörer geduldet, so lange die Beratungen nicht geheim sind. Mitstimmen dürfen sie ohnehin nicht. Auch Anträge und parlamentarische Anfragen dürfen sie keine stellen. Dafür sind nämlich die Unterschriften von fünf Abgeordneten notwendig.

Im Plenum sitzen die fraktionsfreien Mandatare ganz hinten. Immerhin: Reden dürfen sie. Ist eine Blockredezeit vereinbart, bekommen sie die halbe Redezeit des kleinsten Klubs zugestanden. Die Wirkung derartiger Ansprachen ist freilich bescheiden. Das interessiere keinen, hatte der aktuelle Klubchef des Team Stronach, Robert Lugar, festgestellt, als er selbst einst als wilder Abgeordneter sein Dasein im Parlament fristete.

Trotzdem: In den vergangenen Jahren gab es eine ganze Reihe von Abgeordneten, die im Unfrieden von ihrer Partei geschieden waren, ihr Mandat aber weiter ausübten. Den Anfang machte ein Prominenter: Der frühere Innenminister und ÖGB-Präsident Franz Olah gehörte nach seinem Ausschluss aus der SPÖ im Jahr 1964 noch zwei Jahre lang dem Nationalrat an.

Auch aus den Reihen der Grünen kam ein prominenter freier Abgeordneter: Josef Buchner, Chef der Vereinten Grünen Österreichs und damit des bürgerlichen Flügels im grünen Lager, wollte 1987 den Kurs der Parlamentspartei nicht mehr mittragen. Gegen die fehlenden Arbeitsmöglichkeiten der fraktionslosen Abgeordneten protestierte er öffentlichkeitswirksam: Er stellte in der Säulenhalle des Parlaments einen Schreibtisch auf. Das hatte Erfolg: Inzwischen bekommen wilde Abgeordnete zumindest ein Büro und einen Mitarbeiter bezahlt.

Die Turbulenzen in FPÖ und BZÖ führten in den vergangenen Jahren zu etlichen wilden Abgeordneten. Aber auch beim Team Stronach gab es schon eine: Die frühere ORF-Chefin Monika Lindner, die das Team schon vor der Wahl verlassen hatte, für eine Sitzung aber in den Nationalrat einzog.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2015)

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