Thailand: Bangkok in Schockstarre

THAILAND BANGKOK BOMBING
THAILAND BANGKOK BOMBINGAPA/EPA/DIEGO AZUBEL
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Während die Polizei mithilfe von Videoaufnahmen nach dem mutmaßlichen Täter des Bombenanschlags von Montag fahndet, rüttelt ein weiterer Angriffsversuch die Hauptstadt auf.

Bangkok. Das Video ist in seiner Nüchternheit erschütternd. Zu sehen ist ein Ausschnitt des kleinen Platzes vor dem Erawan-Schrein im Zentrum von Bangkok. Es ist Montagabend. Die schwere Explosion, die hier mindestens 20 Menschen töten und mehr als 100 verletzen wird, hat sich noch nicht ereignet. Menschen gehen im Gegenuhrzeigersinn an der Statue des Hindu-Gottes Brahma vorbei. Es herrscht, wie an den meisten Abenden, relativ reger Betrieb. Der Schrein ist ein beliebtes Reiseziel, vor allem bei chinesischen Touristen und Besuchern aus den anderen Staaten Südostasiens.

Ein schlanker, junger Mann – er könnte Mitte bis Ende 20 sein – tritt ins Bild. Er trägt ein gelbes T-Shirt und eine Brille, auf dem Rücken einen großen schwarzen Rucksack. Er nimmt auf einer Bank Platz, setzt den Rucksack ab und drückt ihn unter die Sitzfläche. Dabei schaut er nach vorn. In der linken Hand hält er ein Handy. Dann steht er auf und hält das Mobiltelefon vor sich, als würde er ein Foto machen. Dann verlässt er schnell den Platz. Wenige Minuten später wird eine schwere Explosion den Schrein erschüttern und viele Menschen töten.

Dienstagmittag: Reinigungskräfte spülen den Boden des Platzes, auf dem der Schrein steht, mit großen Wasserschläuchen und schrubben ihn mit Besen. Einige Arbeiter benutzen Hochdruckreiniger. An der Stelle, an der die Bombe explodiert ist, befindet sich nun ein kleiner Krater im Boden. Den Betonpfeiler dahinter hat die Explosion nach außen in Richtung Straße gedrückt, gemeinsam mit einem Teil des Zauns. Exakt an dieser Stelle hat der Mann in dem gelben T-Shirt in dem Video seinen Rucksack abgestellt.

Löcher in Schaufenstern

Die Wucht der Detonation war so gewaltig, dass sie in der angrenzenden Luxus-Shoppingmall sämtliche Scheiben eingedrückt hat. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sind Löcher in den Schaufenstern eines Louis-Vuitton-Geschäfts zu sehen. Selbst mehrere hundert Meter entfernt sind potenziell tödliche Splitter eingeschlagen.

Thailands Behörden sind sich so sicher, dass es sich bei dem Mann in dem T-Shirt um den Täter handelt, dass Polizeisprecher Prawut Thavornsiri erklärte, man habe es hier nicht mit einem bloßen Verdächtigen zu tun. „Er ist der Bombenleger!“ Die Polizei veröffentlichte mehrere Bilder des Mannes und fahndet nun unter Hochdruck nach ihm. Auf keiner der Aufnahmen ist jedoch das Gesicht klar zu erkennen.

Am Dienstagnachmittag kursierten in den sozialen Medien plötzlich zahlreiche Meldungen, es habe eine zweite Explosion gegeben. Kurz darauf bestätigt die Polizei: Ein Unbekannter hat am Chaophraya-Fluss von einer Brücke einen Sprengsatz auf eine Bootsanlegestelle darunter geworfen. Auch hierzu lieferten die Behörden kurz danach Aufnahmen von Überwachungskameras. Auf ihnen ist zu erkennen, wie mehrere Personen an dem Pier entlanggehen. Plötzlich schießt eine Wassersäule in die Höhe, die Menschen rennen davon. Da die Bombe, offenbar unbeabsichtigt, im Wasser explodiert ist, wurde niemand verletzt.

Selbst gebaute Rohrbombe

Am späten Nachmittag erklärte ein Minister, dass es sich bei dem Sprengsatz um denselben Typ Bombe gehandelt habe wie am Montag: eine selbst gebaute Rohrbombe. Ein Zusammenhang zwischen den Vorfällen liegt also nahe.

Die Attentate haben viele Einwohner Bangkoks in einen Schock versetzt. Die Straßen wirken leer, viele Straßenrestaurants sind verwaist. Misstrauen dominiert. Viele fürchten um das vertraute Gefühl von Sicherheit. „Das haben viele von uns als selbstverständlich hingenommen“, sagt eine junge Frau Anfang 30, die ihren Namen angesichts des angespannten Klimas lieber nicht nennen will.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.08.2015)

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