Nach tagelangen Streitigkeiten hat der Bundeskanzler den Vorstoß von Wissenschaftsminister Hahn abgelehnt. Ein Ausstieg würde dem Ansehen des Landes zu sehr schaden. Österreich bleibt daher Mitglied des CERN.
Im Streit um Österreichs Mitgliedschaft in der internationalen Kernforschungsorganisation CERN hat Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) klar Position bezogen: "Ich kann mir einen Austritt nicht vorstellen, ich bin dagegen", machte Faymann nach einem Treffen mit Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) klar, dass seine Partei nicht die notwendige Zustimmung zu dem Plan in Ministerrat und Parlament geben wird. Es werde keinen Austritt Österreichs geben. Faymann begründete seine Haltung mit der im Forschungsbereich notwendigen Nachhaltigkeit und Verlässlichkeit. "Reputation und Ansehen Österreichs ist etwas, das übergeordnetes Interresse hat", betonte der Kanzler, der damit die Diskussion um den Austritt für beendet sieht.
Wesentliche Erfolge seit 50 Jahren
Von Beginn der Diskussion an hätte Faymann nichts gegen die Überprüfung von Mitgliedschaften und inhaltliche Richtungen der verantwortlichen Minister gehabt zu haben. Man könne auch nicht grundsätzlich sagen: "Einmal dabei und ab dann interessiert uns nicht, was dort geschieht oder wie es dort weitergeht." Budgetpositionen seien nicht automatisch fortzuschreiben. Bei CERN handle es sich aber um eine Mitgliedschaft in einem europäischen Forschungsbereich, der seit über 50 Jahren "wesentliche Erfolge aufzuweisen hat".
Forschungsbudget wird umgeschichtet
Hahn steht nach wie vor zu seiner Entscheidung, nimmt aber Entscheidung des Bundeskanzlers zur Kenntnis und erklärt auch von seiner Seite die Diskussion für beendet. Er gab zu, die Reaktion auf seine Pläne "in der Heftigkeit" unterschätzt zu haben. Gleichzeitig verwies er auf nun notwendige Umschichtungen im Forschungsbudget, um die notwendigen 20 Millionen Euro für die CERN-Mitgliedschaft aufzutreiben. Keine konkreten Angaben machte der Wissenschaftsminister, was nun in den nächsten Jahren nicht möglich sein werde, das Budget des FWF soll jedenfalls nicht angegriffen werden.
Entscheidung "nicht über Nacht"
Vor dem Treffen mit dem Bundeskanzler erklärte Hahn noch, die Austritts-Entscheidung sei "nicht über Nacht entstanden", sondern Ergebnis mehrwöchiger Analysen und Recherchen. Ein Verbleib in der Kernforschungsorganisation würde zu Lasten vieler junger österreichischer Wissenschafter gehen. Es passiere sicher "Tolles am CERN", aber man müsse abwägen, wo man mit dem Geld mehr bewirken könne. Hahn wollte das Geld in neue internationale Forschungskooperationen stecken, "um auch die Nachwuchsförderung anzukurbeln".
Internationale Konkurrenz ist hart
Gerade der Nachwuchs sprach sich aber auf einer Pressekonferenz der Österreichischen Akademie der Wissenschaften für einen Verbleib am CERN aus. Durch den Austritt hätten viele junge Forscher die Chance verloren, durch eine Mitarbeit am CERN ihre Position in Wissenschaft zu verankern. "Die internationale Konkurrenz ist hart", erklärte dazu Daniela Klammer, Physik-Dissertantin, auf der Pressekonferenz. Ihr Karriereziel ist ein Fellowship am CERN.
Reaktionen
Positiv über Faymanns Entscheidung äußerten sich Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll und sein Stellvertreter Sepp Leitner. Pröll hatte Hahn aufgrund des Ausstiegvorhabens vergangenen Freitag scharf attackiert. "Der Irrweg des Wissenschaftsminister bezüglich CERN ist beendet, Hahn musste klein beigeben", kommentierte Kurt Grünewald, Wissenschaftssprecher der Grünen, die Entwicklung der Ereignisse.
"Gewinn für die Wissenschaft"
Erfreut und erleichtert reagierte Christian Fabjan, Direktor des Instituts für Hochenergiephysik (HEPHY) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, auf die Nachricht vom Verbleib Österreichs beim Europäischen Kernforschungszentrum. "Das ist ein Gewinn für die Teilchenphysik in Österreich, aber auch für die Wissenschaft als Ganzes", so der Forscher.
Ergebnisse müssen stärker an die Öffentlichkeit
Im Nachhinein betrachtet habe die Diskussion geholfen, das Bewusstsein für die Grundlagenforschung in Österreich zu stärken, ist Fabjan überzeugt. Man habe nun einen hohen Auftrag übernommen, noch sorgfältiger mit den zur Verfügung stehenden Mitteln umzugehen, und auch die eigenen Ergebnisse stärker als bisher der Öffentlichkeit zu präsentieren.
CERN als "externe Elite-Uni"
Weiters sollte das Potenzial der Kooperation Österreichs mit dem CERN über die Physik hinaus herausgestrichen werden. So sei das Zentrum nicht zuletzt eine wichtige Ausbildungsstelle für junge Wissenschafter und Techniker. Das CERN stellt laut Fabjan gewissermaßen eine "externe Elite-Uni" für den Forscher-Nachwuchs dar.
(Ag./db)