Kirche gegen RTL-Leihbaby-Sendung

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Teenager erproben in einer neuen RTL-Realitysoap das Erwachsensein - samt "geborgten" Kleinkindern. Medienwächter und die evangelische Kirche protestieren. Die Sendung verletze die Menschenwürde.

Als "Eignungstext" oder "Reifeprüfung" will der deusche Privatsender RTL seine neue Reality-Show "Erwachsen auf Probe" verstanden wissen. Medienwächter aus Deutschland und Österreich sowie die Evangelische Kirche in Deitschland (EKD) üben allerdings heftige Kritik an dem Format. Denn in der Sendung überlassen Eltern für bis zu vier Tage ihre Babys oder Kleinkinder Teenagern, die das Elternsein schon einmal proben wollen. Die sieben Folgen der Sendung wurden bereits aufgezeichnet, ausgestrahlt werden sie ab 3. Juni.

"Die von Gott geschenkte Würde einer jeden menschlichen Person verbietet es, den Menschen zum Mittel zu machen und wie in diesem Fall Babys zu benutzen", erklärte der EKD- Medienbeauftragte Markus Bräuer am Dienstag.

"Erlaubt, nicht ethisch"

"Wenn in der geplanten Reihe Kleinstkinder zum Versuchsgegenstand für 16- bis 19-jährige Jugendliche gemacht werden, die ihr Erwachsensein und ihre Elterntauglichkeit im Fernsehen erproben wollen, wird der Mensch zum Gegenstand und zum Zweck", meinte Bräuer. Mit diesem Format trete das Kindeswohl hinter die Unterhaltungsabsicht des Senders zurück. Auch das auf Einschaltquote und Werbeeinnahmen ausgerichtete Privatfernsehen habe eine gesellschaftliche Mitverantwortung. "Nicht alles, was rechtlich möglich ist, ist aus ethischen Gründen auch geboten."

Die Programmausschüsse der Landesmedienanstalten aus Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz appellierten an den Kölner Privatsender, auf die Sendung zu verzichten. Der Ausschuss wendet sich "aus ethischen Gründen gegen die Instrumentalisierung von Babys und Kleinkindern", vor allem weil "gerade die ersten Lebensjahre Menschen am meisten prägen und Traumatisierungen aus dieser Lebensphase langfristig schädigend sind". Es müsse andere Wege geben, die Problematik minderjähriger Eltern zu bearbeiten. Die Medienwächter appellierten an RTL, "sich seiner Verantwortung bewusst zu werden und auf das Format insgesamt zu verzichten".

Test für Teenies mit Kinderwunsch

RTL hat auf die in den vergangenen Tagen laut gewordene Kritik mehrfach erklärt, an der Sendung festzuhalten. Für Freitag hat der Sender Journalisten und Kritiker zu einer Vorführung und Diskussion nach Köln eingeladen. RTL erklärte, es sei unbestritten, dass in Deutschland die Zahl der Teenager- Mütter und der Schwangerschaften bei minderjährigen Mädchen kontinuierlich zunehme und dass viele Jugendliche nicht "reif" für eine Familiengründung seien. Die Sendung sei "ein Eignungstest für Jugendliche mit Kinderwunsch", bei dem sie Familienkompetenz und Verantwortungsübernahme lernen würden. Es handle sich um die Adaption des BBC-Formates "Baby Borrowers", das "in Großbritannien demnächst in der 3. Staffel läuft und dort u.a. von Lehrern als Schulungsmaterial benutzt wird".

In Deutschland hat sich inzwischen eine Mutter zu Wort gemeldet, die ihren bei den Dreharbeiten elf Monate alten Sohn Lasse "verliehen" hat. "Lasse war natürlich nicht vier Tage und Nächte von uns getrennt, ohne dass wir ihn sehen konnten", sagte Katrin B. dem "Stern". "Das hätten wir doch niemals mitgemacht!" Vielmehr sei sie jederzeit in der Nähe gewesen, die Nächte habe das Kleinkind zudem daheim bei den Eltern verbracht. Der Kontakt zu ihrem Kind sei Katrin B. nicht verwehrt geblieben: "Selbstverständlich gehe ich zu meinen Sohn, wenn er die Arme nach mir ausstreckt - völlig egal, ob gerade zehn Kameras laufen", so die 31-Jährige. "Ganz sicher war er nicht traumatisiert, wie irgendwelche Experten, die die Sendung noch gar nicht gesehen haben, jetzt behaupten. Das hätte ich als Mutter doch gemerkt."

(Ag./Red.)

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