Lebensplanung mit Sinatra „Es wird ein Jazzbegräbnis“

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Johannes Kunz, lang Veranstalter des Salzburger Jazzherbstes, legt eine Sinatra-Biografie vor. Und spricht über Kindheitsidole und den „Indian Summer“.

Wenn wir an einer Apotheke vorbeigehen, läuft uns das Wasser im Mund zusammen“, sagte der kürzlich verstorbene Gerd Bacher über sich und Johannes Kunz. Zu beider Leidenschaft zählte ein ausgeprägter Hang zur Hypochondrie. Kunz federt ihn mittels mehrerer Strategien ab. Als Präsident der Österreichischen Krebshilfe tut er Gutes für andere, als engagierter Selbstbeobachter rennt er vierteljährlich zur Blutuntersuchung. Hilft das alles nicht, die Ängste zu meistern, dann greift er zum grimmigen Witz. „Was machen Sie denn jetzt, wo Sie nicht mehr beim ORF sind?“ wollte eine Dame im Café Tirolerhof wissen, wo Kunz der „Presse“ eine Audienz gewährte. Der ehemalige Kreisky-Pressesprecher und ORF-Informationsintendant griff zum grimmigen Witz: „Ich bereite mich auf den Sprung ins Grab vor. Aber ich muss Sie warnen: Es wird ein Jazzbegräbnis.“

Der Jazz, der Witz und die Hypochondrie sind neben der Zeitgeschichte und der Politik die größten Leidenschaften des Johannes Kunz. 17 Jahre lang hat er das renommierte Festival Jazzherbst Salzburg geleitet, ehe dieses 2013 aus mehreren Gründen in die Insolvenz geschlittert ist. Unter Phantomschmerzen leide er nicht mehr. „Wenn einmal etwas aus ist, dann blicke ich nicht mehr zurück. Ich schreibe jetzt Bücher.“ Sein jüngstes beschäftigt sich mit der Vita des großen Frank Sinatra. Kunz, Jahrgang 1947, war schon früh Fan. „Ich bin in Döbling aufgewachsen. Das war während der Besatzungszeit amerikanische Zone. Über den Soldatensender lernte ich den Jazz lieben. Auch Sinatra.“ Seine ersten Platten kaufte er in einem Elektrogeschäft auf der Döblinger Hauptstraße. „Zunächst erwischte ich Sinatras Aufnahmen mit Harry James und Tommy Dorsey,“ erinnert er sich mit Seligkeit.

Später erforschte er ihn in all seinen Ausprägungen zwischen virilem Swing und haltloser Melancholie. „Sinatra war eine gespaltene Persönlichkeit. Er hat Leute beschimpft und Raufhändel gehabt. Auf der anderen Seite war er unter Freunden total paktfähig und hat Menschen in Not sehr viel gegeben, unter der Bedingung, dass sie nicht darüber sprachen.“

Bei allen drei Wien-Konzerten

Dreimal sang Sinatra in Wien. Eines seiner drei Konzerte, die 1975, 1984 und 1989 in der Wiener Stadthalle stattfanden, war ein Benefiz für „Licht ins Dunkel“. Altfan Kunz war natürlich bei allen dreien. Das mit der vitalen Buddy-Rich-Big-Band ist ihm am besten eingefahren. Darüber ist im Buch leider nichts zu lesen, weil es für den gesamtdeutschen Markt intendiert ist. Dafür fokussiert Kunz mit viel Liebe zum Detail Sinatras unorthodoxe Beziehung zur Politik. „Für mich war Sinatra mehr als ein Sänger. Er war immer eine Figur der Zeitgeschichte. In der McCarthy-Ära stand er auf schwarzen Listen, später unterstützte er die Bürgerrechtsbewegung. Skurril, dass er mit Reagan, der in der McCarthy-Ära Schauspielerkollegen denunzierte, später eine gute Beziehung unterhalten hat.“

An spektakulären biografischen Wendungen hat der einstige ORF-Journalist Kunz, der Anfang der Siebziger in Kreiskys Kabinett wechselte, seine Freude. Was zog ihn als Bürgerlichen zur SPÖ? „Das hat mit der Faszination zu tun, die Kreisky auf mich ausgeübt hat. Es war eine Zeit des ungeheuren Aufbruchs. Ich habe mit ihm die Wahlkämpfe 1975 und 1979 gemacht. Damals hat die SPÖ noch Erfolge eingefahren. 51 Prozent und so. Heute können sie froh sein, wenn sie die Hälfte haben“, sagt er, der mit seiner in der Kunstwelt sehr umtriebigen Frau Sylvia Eisenburger im vierten Bezirk lebt, mit nicht zu wenig Stolz in der Stimme.

Sein Lebensherbst ist mit reichlich Tätigkeit aufgefüllt. Nicht zufällig ist „Indian Summer“, das Sinatra einst mit dem großen Duke Ellington eingespielt hat, sein Lieblingssong. Dem unrühmlichen Niedergang des Jazzherbstes gewinnt er sogar Gutes ab. „Der Jazz wird immer mehr zum Clubphänomen. Heute wüsste ich gar nicht mehr, mit welchen Künstlern ich das Große Festspielhaus füllen könnte.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.08.2015)

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