Burkina Faso: Putsch der Entmachteten

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Drei Wochen vor den geplanten Wahlen haben Anhänger des vor Monaten gestürzten Präsidenten die Übergangsregierung abgesetzt. EU und UNO fürchten neue Gewalt.

Ouagadougou/Wien. Es ist noch kein Jahr her, dass der kleine westafrikanische Staat Burkina Faso seine bisher schwerste Krise erlebt hat. Im Oktober hatte sich die Wut des Volkes über den damaligen Präsidenten, Blaise Compaoré, und sein korruptes System in Massenprotesten auf den sandigen Straßen der Hauptstadt Ouagadougou entladen. Blaise, wie ihn die Burkinabé nennen, flüchtete, eine Übergangsregierung wurde eingesetzt. In drei Wochen hätten jetzt eigentlich Wahlen stattfinden sollen. Doch nun reißt ein Militärputsch das bitterarme Land zurück in die Krise.

Gilbert Diendéré heißt der Mann, der sich in der Nacht auf Donnerstag an die Spitze einer Gruppe gesetzt hat, die sich Nationaler Rat für Demokratie nennt und als neue Regierung gesehen werden will. Diendéré war Sicherheitschef des gestürzten Präsidenten und galt als rechte Hand von Compaoré über viele Jahre. Es habe „eine erhebliche Situation der Unsicherheit vor den Wahlen“ gegeben. Daher seien er und seine Männer zur Tat geschritten, um „eine Destabilisierung des Landes zu verhindern“, begründete er die Machtübernahme in einem Gespräch mit dem Magazin „Jeune Afrique“.

Angst vor Machtverlust

Vor einer „erheblichen Unsicherheit“ stand tatsächlich vor allem die Präsidentengarde, eine 1200 starke Truppe, die Compaoré bis heute loyal gegenüberstehen soll. Die Übergangsregierung hat vor Kurzem die Auflösung der Garde angekündigt. Auch waren mehrere Anhänger Compaorés nicht als Kandidaten zu der geplanten Wahl am 11.Oktober zugelassen worden. In der Nacht auf Donnerstag stürmten Soldaten der Präsidentengarde eine Kabinettsitzung und nahmen Staatschef Michel Kafando, Regierungschef Yaouba Isaac Zida sowie mehrere Minister fest. So hoffen Compaorés Getreue offenbar, einen Machtverlust zu verhindern.

In Ouagadougou versammelten sich mehrere Dutzend Anhänger von Übergangspräsident Kafando und Premier Zida auf den Straßen, um gegen den Putsch zu demonstrieren. „Befreit die Geiseln“, skandierten die Menschen auf der Straße vor dem Präsidentenpalast. Die Demonstration wurde aufgelöst, als Sicherheitskräfte Warnschüsse abfeuerten. Die Putschisten verhängten eine nächtliche Ausgangssperre.

In den westlichen Hauptstädten ließ der Putsch die Alarmglocken schellen, keiner möchte eine weitere Destabilisierung in der krisenreichen Region: Im Osten versuchen die Nachbarstaaten Niger und Benin zusammen mit Kamerun und dem Tschad der nigerianischen Terrorsekte Boko Haram Herr zu werden. Im Nordwesten kämpft der einst stabile Nachbarstaat Mali trotz der Unterstützung von Blauhelmsoldaten der UN-Mission Minusma mit islamistischen Anschlägen und den Konflikten zwischen verschiedenen Tuareg-Rebellengruppen.

„Die EU fordert die sofortige Freilassung der Gefangenen sowie Respekt für die Übergangsregierung und das Allgemeinwohl“, erklärte die EU-Außenbeauftragte, Federica Mogherini. Frankreichs Präsident, François Hollande, übte scharfe Kritik und verlangte, die Wahl durchzuführen. Auch die UNO, die Afrikanische Union und die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas äußerten sich entsetzt.

Die erneute Destabilisierung Burkina Fasos wird auch deshalb mit großer Sorge beobachtet, weil es ein Szenario ist, das auch anderen afrikanischen Staaten blühen könnte. Schließlich war Compaoré wegen Machtgelüsten aus dem Amt gejagt worden, die auch andere Staatschefs des Kontinents hegen. Selbst nach 27 Jahren an der Macht wollte der Langzeit-Präsident nicht weichen. Also brachte die Regierung eine Gesetzesvorlage ins Parlament ein, die dem Präsidenten eine weitere (nach der neuen Verfassung dritte) Amtszeit zugestanden hätte. Das hat die blutigen Proteste ausgelöst, die Compaoré schließlich außer Landes trieben.

Burundi, Ruanda, Kongo

Eben wegen dieses Klammerns an der Macht befindet sich auch Burundi seit einem halben Jahr in einer schweren Krise. Präsident Pierre Nkurunziza hat sich mithilfe seines Machtapparats und unter Boykott der Opposition eine dritte Amtszeit entgegen der Verfassung gesichert. Seitdem gibt es fast täglich Berichte von Rebellenattacken und Übergriffen auf Oppositionelle, 190.000 Menschen sind vertrieben worden. Auch der Präsident Ruandas, Paul Kagame, strebt eine dritte Amtszeit an, und in Kongo-Kinshasa ist Joseph Kabila dabei, seine bis nächstes Jahr befristete Zeit im Amt zu verlängern.

Im Juli hat US-Präsident Barack Obama seine afrikanischen Amtskollegen in einer Rede vor der Afrikanischen Union deshalb aufgefordert, die Fristen bei präsidialen Amtszeiten unbedingt einzuhalten. Bisher scheint der Aufruf unbeachtet geblieben zu sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2015)

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