Wien: Hauptbahnhof im Rechnungshof-Visier

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Der Rechnungshof nimmt sich das Projekt „Wiener Hauptbahnhof“ vor. Das sorgt bei der Stadt Wien für Nervosität. Die Prüfer sollen die fehlende U-Bahn-Anbindung kritisieren – und die geplante U2-Verlängerung.

WIEN. Es herrscht Nervosität im Wiener Rathaus. Je genauer die Prüfer des Rechnungshofs fragen, desto schwieriger finden Beamte und Planer die richtigen Antworten – weshalb die Prüfer nicht gerade zufrieden sind. Im Hauptquartier der Bundesbahnen geht es übrigens ähnlich zu.

Auslöser der Nervosität: Der Rechnungshof prüft gerade den Hauptbahnhof Wien, der derzeit in Bau ist. Und wie „Die Presse“ erfährt, stellten die Prüfer in den jüngsten Gesprächen unangenehme Fragen zur Verkehrsanbindung des künftigen Wiener Hauptbahnhofs. Was die Prüfer nicht verstehen: Beim Bau der U1 (ab 1969) kam irgendjemand auf die Idee, das Hochleistungsverkehrsmittel hunderte Meter vor dem Südbahnhof vorbeifahren zu lassen. Jahrzehntelang war diese Entscheidung ein Musterbeispiel für klassische Fehlplanung. Mit dem Bau des Hauptbahnhofs sollte dieses Problem behoben, die U1 in den Bahnhof integriert werden.

Heuer, zum 30-Jahr-Jubiläum einer der größten Fehlplanungen der Stadt, wird dieser Fehler feierlich wiederholt: Trotz Zusicherung fährt die U1 wieder wenige hundert Meter vor dem Hauptbahnhof. Kompensieren könnte das die verlängerte U2, die vom Karlsplatz Richtung Süden geplant wird. Nur: Die U2 wird den Hauptbahnhof ebenfalls nicht erreichen. Sie umfährt den Hauptbahnhof in einem Bogen, um die Entwicklungsgebiete St. Marx, Aspanggründe und Arsenal zu erschließen.

Damit enden künftig zwei U-Bahn-Linien in der Nähe des Hauptbahnhofs, der rund 900 Millionen Euro kosten soll: „Die Prüfer des Rechnungshofs fragen hier extrem kritisch nach; vor allem, wer von den Experten die Idee für diese Planung hatte“, erklärt ein Betroffener, der in das Projekt involviert ist: „Aber jetzt will es keiner mehr gewesen sein.“

Was die Brisanz dieser Befragung verschärft: Die Prüfer hätten anklingen lassen, dass die Anbindung der Stadtentwicklungsgebiete per U2 bei Weitem nicht so viel bringe, wie von Wien behauptet. Damit würde das einzige Argument fallen, mit dem die U2 am Hauptbahnhof vorbei geführt wird. Denn die Stadtentwicklungsgebiete könnten mit deutlich billigeren Verbindungen (z.B. Hochleistungsstraßenbahn) angebunden werden; die U2 könnte dadurch den Wiener Hauptbahnhof, der dann zu den größten Bahnhöfen Österreichs zählt, erreichen.

Derzeit wird gegenüber den Rechnungshof-Prüfern noch ein altes Argument ausgepackt: der Hauptbahnhof werde de facto an die U1 angebunden – mit einem Cable-Liner, einer Art Standseilbahn, die Architekt Albert Wimmer, der den Masterplan für das Bahnhofgebiet entworfen hatte, bereits am 28. Juli 2005 in der „Presse“ angekündigt hatte, um Passagiere vom Südtiroler Platz zum Bahnhof zu bringen. Seitdem wird mit dieser lange geplanten Anbindung regelmäßig argumentiert, wenn die Frage auftaucht, weshalb der Hauptbahnhof wieder nicht an die U-Bahn angebunden ist. Die Prüfer des Rechnungshofs soll diese Argumentation aber wenig beeindrucken, wie im Rathaus zu hören ist. Vor allem, da hochkarätige, unabhängige Verkehrsexperten und auch die ÖBB seit Bekanntwerden der Pläne den fehlenden U-Bahn-Anschluss kritisiert hatten. Immerhin rechnen die ÖBB beim neuen Hauptbahnhof mit täglich 145.000 Fahrgästen.

Rechnungshof: „Aktion Scharf“

RH-Präsident Josef Moser bestätigt im Gespräch mit der „Presse“ die Prüfung des Projekts Hauptbahnhof, nennt aber keine Details. Nur: Die Prüfung der Verkehrsanbindungen, also der U-Bahnen, sei natürlich Thema. Bis Jahresende soll der Rechnungshof-Bericht fertig sein und den ÖBB und der Stadt Wien zur Stellungnahme vorgelegt werden.

Hintergrund der Prüfung des Hauptbahnhofes ist ein neuer Kurs des Rechnungshofs. Während früher Projekte nach deren Abschluss geprüft, Mängel und Fehlleistungen festgestellt wurden, schaltet sich der Rechnungshof verstärkt bereits in der Planungsphase von Projekten ein. Das Motto: Verschwendung von Millionen Euro nach Projektende aufzuzeigen bringt (außer einen möglichen Lerneffekt für die kritisierte Institution) wenig – das Geld ist weg. Schaltet sich der Rechnungshof bereits in der Planungsphase ein, können durch diese Kontrolle schwere Fehler und die Verschwendung von Millionen bei Großprojekten schon im Ansatz verhindert werden.

Provisorischer Ostbahnhof

Wie geht es nun mit dem Hauptbahnhof weiter? Im Dezember werden Süd- und Ostbahnhof gesperrt. Für den Regionalverkehr, der bisher am Ostbahnhof abgewickelt wurde, wird auf der Höhe Schweizer-Garten-Straße ab Juni ein provisorischer Ostbahnhof mit einem Bahnhofsvorplatz errichtet, damit das gemeinsame Gebäude von Süd- und Ostbahnhof abgetragen werden kann. Die Gleise, Bahnsteige und Bahnsteigdächer der Ostbahn werden dazu ab dem Sommer schrittweise um etwa 150 Meter verkürzt.

Die Funktion des Südbahnhofs übernimmt zwischenzeitlich der Bahnhof Wien-Meidling, wo die meisten Züge dann statt am Südbahnhof enden. Im Dezember 2012 soll der neue Hauptbahnhof dann in den Teilbetrieb gehen. Zwei Jahre später (Dezember 2014) könnte der Hauptbahnhof dann seinen eigentlichen Vollbetrieb aufnehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2009)

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