Niessl: "Weiß die SPÖ wirklich, was die Arbeiter denken?"

Der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl
Der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl APA/HERBERT PFARRHOFER
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Nach der nächsten Wahlniederlage für die SPÖ fordert der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl schärfere Positionen in der Asyl- und Arbeitsmarktpolitik.

Die Presse: In der Analyse des oberösterreichischen Wahlergebnisses scheinen sich SPÖ und ÖVP einig zu sein: Schuld an den hohen Verlusten ist die Flüchtlingsproblematik. Ist es wirklich so einfach?

Hans Niessl: Man sollte nicht nur Oberösterreich für die Analyse heranziehen – das Burgenland und die Steiermark haben unter ähnlich schwierigen Bedingungen gewählt. Im Mai ist die erste Flüchtlingswelle gekommen, wir haben deshalb vier, fünf Prozentpunkte verloren. Die Flüchtlinge haben diese Wahlen sicher am stärksten beeinflusst. Aber natürlich gibt es auch andere Punkte.

Welche denn?

Die Arbeitslosigkeit. In Kombination mit der Flüchtlingssituation wird da die Unzufriedenheit in der Bevölkerung noch größer.

Mit wem? Mit der Bundesregierung?

Ich möchte mich hier weder an der Bundesregierung noch an der Bundes-SPÖ abputzen. Wir müssen alle Verantwortung übernehmen und die Sorgen der Leute ernster nehmen.

Das hört man immer und immer wieder.

Das Problem ist, dass wir unsere Positionen noch immer nicht angepasst haben. In Oberösterreich haben nur 16 Prozent der Arbeiter SPÖ gewählt. Im Burgenland waren es 52, aber auch das ist zu wenig. Offenbar hat die Partei die Arbeiter nicht richtig verstanden.

Das klingt jetzt doch nach Kritik an der Bundespartei.

Ich frage mich, ob wirklich jeder in der SPÖ weiß, was die Leute in den Gemeinde- und Genossenschaftsbauten, was Arbeiter und Arbeitnehmer denken und von uns erwarten.

Und, wie lautet die Antwort?

Sie erwarten sich, dass der Trend bei der Arbeitslosigkeit umgekehrt wird. Dass ausländische Firmen in Österreich nicht unter Kollektivvertrag zahlen können. Sie erwarten sich auch, dass im Asylwesen zwischen Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen unterschieden wird. So lange wir das nicht akzeptieren und unsere Politik danach ausrichten, werden wir weiter Wahlen verlieren.

Die SPÖ muss sich also in Richtung FPÖ bewegen?

Wir müssen uns zu den Menschen bewegen, nicht zur FPÖ.

Ist die SPÖ in der Asylpolitik zu liberal?

Ich habe mich erst am Samstag mit Helfern in Nickelsdorf unterhalten. Die machen das gerne. Aber sie sind langsam am Ende. Außerdem haben sie den Eindruck, dass nicht nur Kriegsflüchtlinge über die Grenze kommen. Und dass womöglich jemand vom IS dabei ist. So ungeordnet kann es nicht weitergehen. Wir müssen wissen, wer zu uns kommt.

Ist auch Wien für die SPÖ schon verloren?

Ich wünsche Bürgermeister Michael Häupl ein möglichst gutes Wahlergebnis.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2015)

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