„Life“ im Kino: James Dean, der ewige Hollywood-Rebell

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Heute vor 60 Jahren starb James Dean. Anton Corbijns „Life“ mit Robert Pattinson und Dane DeHaan erzählt von der Entstehung der Fotos, die seinen Mythos weiterleben lassen.

Ein junger Mann schlendert über den verregneten Asphalt, die Hände in den Taschen seines langen, schwarzen Wollmantels. In einem Winkel seines zu einem verschmitzten Lächeln gekräuselten Mundes hängt lose eine Zigarette, die Augen unter den ausgeprägten Brauen blicken ins Abseits, hinter ihm verschwimmen die Fassaden des Times Square. Dieses unscheinbare Porträt im Hochformat ist das berühmteste Bild aus einer legendären Fotostrecke, die Dennis Stock im Frühjahr 1955 für das „Life Magazine“ anfertigte. Der Mann im Fokus ist James Dean.

Stocks Schnappschuss wurde mit seiner rohen Dokumentarästhetik zum Emblem des Kults um Dean, der am 30. September desselben Jahres nach nur drei Hauptrollen in abgedrehten Spielfilmen bei einem Autounfall ums Leben kam. Bis heute wird er als Inbegriff des sensiblen Hollywood-Rebellen verehrt, wie Hendrix und Cobain ein Märtyrer-Idol für alle Stürmer und Dränger dieser Welt. Auf der Homepage der Fotoagentur Magnum lässt sich das gesamte Fotomaterial der „Life“-Bildserie einsehen. Darunter findet sich auch ein Abzug, der den Schauspieler aus ähnlicher Perspektive, in vergleichbarer Pose und vor identischem Hintergrund zeigt – aber die Zigarette fehlt ebenso wie der Regen, und unter dem Arm trägt Dean einen Papiersack, als wäre er auf dem Weg zur Post. Das der ikonischen Ansicht auf den ersten Blick so verwandte Motiv eignet sich kaum für ein Studentenzimmerplakat; letztlich liegt eben auch die Wirksamkeit von Außenseiterimages in feinen Details.

Penibel recherchiert, reduziert gespielt

Anton Corbijns vierte Kinoregiearbeit „Life“ beleuchtet die Entstehung der gefeierten Aufnahmen entsprechend differenziert. Corbijn, selbst ein arrivierter und kunstsinniger Star-Porträtist, will nicht in die Mythosfalle tappen. Sein gedämpftes und gediegenes Drama ist kein schematisches James-Dean-Biopic, sondern die Studie einer vorsichtigen Annäherung zweier junger Männer am Scheideweg – Fotograf Stock (reserviert gespielt von Robert Pattinson) figuriert darin ebenso zentral wie der widerborstige Jungdarsteller Dean, den Nicht-Gerade-Lookalike Dane DeHaan („Chronicle“, „Spider-Man 2“) mit souveräner Unsicherheit verkörpert.

Auf einer Party des Regisseurs Nicholas Ray (in dessen „Rebel Without a Cause“ Dean seine prägendste Performance liefern sollte) begegnet Stock dem Traumfabrik-Aufsteiger und ist sofort von seiner spleenig-schüchternen Art fasziniert. Obwohl Deans explosiver Durchbruch mit „Jenseits von Eden“ noch nicht absehbar ist, überzeugt Stock seinen Chef bei Magnum davon, eine Reportage über ihn machen zu dürfen. Dean selbst ist aus Misstrauen gegenüber der Glamour-Kultur und dem Industriezynismus Hollywoods (im Film repräsentiert durch markante Kurzauftritte Ben Kingsleys als gestrenger Studioboss Jack Warner) nicht gerade entgegenkommend, aber Stock bleibt hartnäckig. Schließlich lässt sich der Schauspieler erweichen, und „Life“ führt ohne viel Aufhebens durch jene Alltagsszenen, deren fotografischen Ewigkeitswert damals keiner der Beteiligten wirklich erahnen konnte: Dean beim Friseur, trinkselig in einer Bar in New York, später auf Familienbesuch in Fairmount, Indiana.

Wie schon in seinem Debütfilm „Control“ über den Joy-Division-Sänger Ian Curtis übt sich Corbijn hier in stilisierter Intimität: Die akribische Nachstellung des Zeitkolorits über historische Ausstattungs- und Kostümdetails in makellos ausgeleuchteten Einstellungen schneidet sich etwas mit den Bemühungen des Films, ein Gefühl von Beiläufigkeit und Natürlichkeit zu vermitteln. Allerdings wird diese Unstimmigkeit vom subtilen und penibel recherchierten Drehbuch des Autors Luke Davies ebenso kaschiert wie vom reduzierten Spiel der beiden Hauptakteure. Besonders die Szenen auf der Farm in Indiana bestechen. In leisen Augenblicken spürt man eine echte Freundschaft zwischen Stock und Dean herankeimen, die sich davor noch als Steigbügelhalter betrachtet haben.

Dennoch kann der Mann mit der Kamera seine Berufskrankheit nicht überwinden: Die treue Leica verharrt in Erwartung magischer Momente immer im Anschlag, was richtige Nähe zur Person vor der Linse unmöglich macht. So bleibt Stock ein Paparazzo wider Willen, während Dean als ruhmesscheuer Schöngeist erscheint, der sich heimlich zurück in den Mutterleib sehnt. Ein neuer Mythos, passend zum Männerbild der Gegenwart.

ZUR PERSON

Der Schauspieler James Dean starb am 30. September 1955 im Alter von 24 Jahren bei einem Autounfall. Sein früher Tod nährte den Mythos um den als Naturtalent gehandelten Star aus Indiana, der stets den lebenshungrigen, rebellischen Teenager verkörperte. Dean spielte nur drei Kinohauptrollen: Mit „Jenseits von Eden“ (1954 gedreht) schaffte er den Durchbruch in Hollywood, nachdem er am New Yorker Broadway einige Theaterrollen gespielt hatte. Im März 1955 drehte er „. . . denn sie wissen nicht, was sie tun“ („Rebel Without A Cause“), er spielte einen jugendlichen Außenseiter auf der Suche nach Anerkennung. Im Juni drehte Dean „Giganten“. Die Premieren seiner letzten beiden Filme erlebte er nicht mehr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.09.2015)

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