Formel 1: Die Irrfahrt des Red-Bull-Rennstalls

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Ob Mercedes, Ferrari oder Honda – Weltmarken im Automobilsektor lehnen die Zusammenarbeit mit Red Bull ab, die Gründe sind finanzieller und persönlicher Natur. Rückkehr zu Renault scheint ob Helmut Markos Wehklagen illusorisch.

Sotschi. Auf der Rennstrecke der Formel 1 bleibt alles, wie es ist. Ein Grand Prix wird zumeist nach der ersten Kurve, spätestens nach dem schnelleren Boxenstopp entschieden. Doch hinter der Boxengasse wird das Treiben hektischer. Dem PS-Zirkus von Bernie Ecclestone droht ein Fiasko: Red Bull und Toro Rosso stehen vor dem Abschied, weil sich das Management, angeführt vom Steirer Helmut Marko, im Motoren-Poker offenbar verzockt hat.

In der Motorenkrise um die Red-Bull-Teams findet die Königsliga keinen Ausweg und muss nun ein Mini-Starterfeld für 2016 fürchten. Die Intervention von Chefvermarkter Ecclestone oder die gemeinsame Anreise von Marko, Erzfeind Toto Wolff und Niki Lauda nach Sotschi im Lear-Jet des Mercedes-Chefs – nichts brachte eine Lösung des Dilemmas. Gibt es bis Ende Oktober keinen Motorenpartner, will Dietrich Mateschitz beide Teams von der Formel 1 abmelden.

Wer zig Millionen ablehnt

„Im Moment ist alles völlig offen“, sagt Teamchef Christian Horner. Im Frust über die schwächelnden Renault-Motoren hat man die langjährige Partnerschaft zum Saisonende gekündigt – ohne neuen Lieferanten in der Hinterhand. Die Eigenproduktion komme nicht infrage, sie sei zu teuer, zu langwierig und keineswegs erfolgversprechend. Gespräche mit Mercedes scheiterten, die Silberpfeile beliefern – auf Geheiß von Wolff – nur Williams, Force India und Manor. Ferrari winkte ab, neuer Partner ist das 2016 einsteigende Haas-Team. Noch ein Team, behauptet der Sportwagengigant aus Maranello, könne man nicht beliefern. Auch der japanische Automobilhersteller Honda lehnte Red Bull als Kundschaft dankend ab.

Das kollektive Nein stimmt verwunderlich. Dutzende Motoren, es geht um zig Millionen Euro – und alle lehnen ab? Ist Markos harsche Abrechnung mit Renault abschreckend, sind Red Bulls Ansprüche zu hoch – sind Rennstall und sein Chefberater womöglich unbeliebt? Dass Mitbewerber für den Fall des Ausstiegs auf höhere Anteile der Vermarktungsgelder schielen, ist sicher – und auch keineswegs verwerflich. Zudem: Den Topingenieuren beider Teams sollen längst mehrere Abwerbeangebote vorliegen.

Jobangst und zu tiefe Wunden

Die Lage wirkt jedoch verfahren. 1200 Angestellte bei Red Bull und Toro Rosso haben Angst um ihre Jobs, berichtet die Deutsche Presse Agentur. Dass der Spielberg-GP wackelt, ist vorerst ausgeschlossen, der Vertrag zwischen Ecclestone und Mateschitz wurde bis 2020 abgeschlossen. Auch für die Fahrer Daniel Ricciardo, Daniil Kwjat, Max Verstappen und Carlos Sainz geht es um die Zukunft. „Es ist eine schwierige Situation, aber ich muss darauf vertrauen, dass sie eine Lösung finden werden“, sagte Sainz, der einen Trainingsunfall am Samstag wie durch ein Wunder unverletzt überstand und im GP von Sotschi starten konnte.

Letzte Hoffnung könnte ausgerechnet die Rückkehr zu Renault sein. Noch seien die Verträge nicht endgültig aufgelöst, hieß es. Doch dieses Verhältnis ist zerrüttet, die Wunden wegen Markos Dauerklagen sind tief. „Wenn man sich anschaut, wie wir behandelt wurden, werde ich es dem Vorstand nur schwer verkaufen können, dass wir etwas anderes machen als bislang geplant“, sagt Renault-Motorenchef Cyril Abiteboul dem Fachmagazin „Autosport“.

Eigentlich wollte Renault 2016 als Werksteam zurückkehren, den finanziell angeschlagenen Lotus-Rennstall übernehmen. Doch diese Pläne stocken, im schlimmsten Fall zieht sich Renault nun ganz zurück, rutscht Lotus in die Pleite und fehlt 2016 ebenso wie Red Bull und Toro Rosso. Ecclestone hält von Hochrechnungen oder zuletzt verbreiteten Verkaufsfalschmeldungen gar nichts. Es scheint ihn nicht zu berühren. Der 84-Jährige sagt: „Alles wird gut.“ (fin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.10.2015)

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