Auschwitz-Eklat: „Bin mir keiner Schuld bewusst“

(c) EPA (Tamas Kovacs)
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Eine Wiener Schule wurde wegen judenfeindlicher Aussagen einiger Schüler von einer Gedenkreise ins frühere KZ Auschwitz heimgeschickt. Einer von ihnen, Konstantin M., leugnet die Vorwürfe: „Nichts dergleichen ist passiert.“

Wien. Wie sieht ein 16-Jähriger aus, der judenfeindliche Witze gerissen, den Arm zum Nazigruß erhoben haben soll? Noch dazu im früheren KZ Auschwitz? Groß und schlaksig ist er, seine Haare dunkel, er trägt Zahnspange, drückt sich gewählt aus. Konstantin M. wirkt ein wenig zerknirscht, wie er da auf der Kirchenbank sitzt, in der Kirche am Mexikoplatz.

Eben hat er hier bei einem Konzertabend die „Meditation“ von Massenet am Klavier gespielt. Dass er einer jener fünf Schüler ist, derentwegen seine Schule frühzeitig von einer Gedenkfahrt heimgeschickt wurde, weil laut Organisatoren neonazistische Handlungen überhand nahmen, darüber redet hier niemand. Konstantin schon. Er will, sagt er, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Sich wehren, weil sich sein Gymnasium, die AHS Albertgasse, nun „Nazischule“ nennen lassen muss. Und er und seine Mitschüler schuld sind. Schuld sein sollen. Denn so, wie der Verein „Morah“ behauptet, der die Reise organisiert und „ununterbrochene“ antisemitische Provokationen dokumentiert hat, sei das alles nicht passiert.

Wie dann? Konstantin überlegt, bevor er zu erzählen beginnt. Von der Reise, bei der er trotz Fieber mitfuhr, weil er unbedingt dabei sein wollte. Alles sei normal verlaufen, bis am zweiten Abend „beim Essen ein Schüler aus dem Gymnasium Rahlgasse mit einer Gabel vor uns herumgefuchtelt hat. Das hat uns alle aufgeregt.“ Seinen Schulkollegen A. so sehr, dass er mit dem Schüler eine Schlägerei beginnt, später wird er deswegen der Schule verwiesen. (Es war dem Vernehmen nach nicht die erste in seiner Schullaufbahn.) Antisemitismus war da noch kein Thema. Aber seit der Rauferei habe Morah „einen besonderen Blick auf uns gehabt“.

Am nächsten Tag, beim Gedenkmarsch nach Auschwitz (Konstantin: „Es war nicht so richtig bedrückend, das war mehr so eine Festivalstimmung“), dokumentiert Morah Aussagen wie „Alle Juden gehören vergast“. „Nichts dergleichen ist passiert, das wäre geschmacklos“, so Konstantin. „Die Lehrer und wir Schüler wollten, dass sie den Namen des Schülers nennen oder auf ihn zeigen. Aber die haben den Namen nicht nennen können.“ Warum das nicht passiert sei? „Morah“ beruft sich auf Ohrenzeugen, will aber heute nichts mehr dazu sagen.

Es stimmte auch nicht, sagt Konstantin, dass sie über Fotos von Auschwitz-Opfern gewitzelt hätten. „Einige Menschen hatten Ähnlichkeit mit Mitschülern, das war mehr schockierend als belustigend.“ Das von Morah dokumentierte Gelächter über abstehende Ohren der KZ-Opfer will er nicht gehört haben.

Später, erinnert er sich, hielt ein Rabbi eine Rede, bei der er den für seinen Antisemitismus bekannten iranischen Präsidenten Ahmadinejad kritisierte. Der Rabbi habe „auch sinngemäß gesagt, die jüdische Kultur sei der deutschen und persischen überlegen. Das hat einen persischstämmigen Mitschüler aufgeregt.“ Der habe laut gefragt, „ob er sich diese Beleidigung gefallen lassen muss“. Es folgte eine Diskussion mit einem Morah-Organisator, die Konstantin „ohne antisemitische Äußerungen“ in Erinnerung hat. Morah sah das anders und entschied, die Schule sofort zurück nach Wien zu schicken.

Einige Episoden hat Konstantin beim Erzählen ausgelassen. Dass sie sich in Auschwitz mit dem „Kühnengruß“ begrüßt haben, etwa. Jenen Gruß, bei dem Daumen, Zeige- und Mittelfinger abgespreizt werden, den auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, wiewohl auf Bildern dokumentiert, nie gemacht haben will. Auf Nachfrage erzählt Konstantin, dass sie einen serbischen Mitschüler immer mit diesem Gruß (der auch der Tschetnikgruß ist) begrüßt haben. „Wir wussten nicht, dass das auch eine Abwandlung vom Hitlergruß ist.“ Hätte man sie darauf angesprochen, „dann hätten wir uns entschuldigt“. Und was war mit dem Sager „Auf ins KZ“? Ja, das hat ein Mitschüler gesagt. Saß da nicht ein Holocaustüberlebender im Bus? Doch. Aber, sagt Konstantin, „der hat das gar nicht gehört“. Würde er im Nachhinein, nach viel Aufregung und einer Rüge vom Stadtschulrat, etwas anders machen? Eine Sache fällt Konstantin ein. Das „Auf ins KZ“, das „hätte sich der Mitschüler sparen können“. Und sonst? „Bin ich mir im Prinzip keiner Schuld bewusst.“

AUF EINEN BLICK

■Eine Gruppe der AHS Albertgasse in Wien-Josefstadt wurde von einer Gedenkreise ins ehemalige KZ Auschwitz zurückgeschickt. Fünf Schüler waren laut Organisatoren durch antisemitische Handlungen aufgefallen, einer wurde der Schule verwiesen. [Bruckberger]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.06.2009)

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