Innovation: Apple, genialer Gigant der Abstauber

Apple macht mit seinen mobilen Geräten Träume wahr. Die Grundsteine dafür aber haben andere gelegt.
Apple macht mit seinen mobilen Geräten Träume wahr. Die Grundsteine dafür aber haben andere gelegt.(c) REUTERS (BOBBY YIP)
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Apple hat einen Patentstreit gegen eine Uni verloren. Ökonomen kritisieren: Seinen Erfolg verdanke der Konzern den Investitionen des Staates – dem er nun Steuern verweigert.

Wien/Cupertino. Für sich genommen ist es keine so große Sache: Apple hat in einem Prozess gegen die Universität von Wisconsin eine Niederlage erlitten. Der Technologiekonzern hat Technik eingesetzt, die geistiges Eigentum der Uni ist, das ein gültiges Patent von 1998 schützt. Konkret geht es um einen Chip-Aufbau, der Prozessoren leistungsfähiger macht und in vielen mobilen Apple-Geräten eingesetzt wird. Die Höhe des Schadenersatzes ist noch offen, im Raum stehen 862 Mio. Dollar. Wenn Apple das Patent vorsätzlich verletzt hat, was das Gericht noch klären will, dürfte es teurer werden. Dennoch: Das wertvollste Unternehmen der Welt zahlt so etwas aus der Portokasse.

Aber die Causa ist Wasser auf die Mühlen vieler Innovationsforscher. Für sie ist Apple nicht das bahnbrechend innovative und wagemutige Unternehmen, als das es seine Manager in hymnischer Selbstvermarktung darstellen. Vielmehr hätten die „Erfinder“ von iPod, iPhone und iPad nur geschickt kombiniert, elegant designt und schlau vermarktet, was ganz andere erforscht und entwickelt hatten – vor allem öffentliche Institutionen der USA: das Militär, Universitäten und staatliche Labore.

Keine privaten Revolutionen

Streitbares Sprachrohr dieser These ist die italienische Ökonomin Mariana Mazzucato, die in ihrem Buch „Das Kapital des Staates“ Ergebnisse ihrer Kollegen zusammenfasst – und als Beispiel den Mythos vom tollkühnen Garagengenie Steve Jobs genüsslich demontiert. Dahinter steht eine ökonomische Theorie: Für die Privatwirtschaft wäre es zu teuer und riskant, revolutionäre Technologien auf die Welt zu bringen. Nur die Gesellschaft als Ganzes könne hier als geduldige Hebamme dienen und die Grundlagenforschung finanzieren. Risikokapitalgeber und kühne Unternehmer kämen erst viel später, wenn der Durchbruch schon geschafft ist und sie die Früchte ernten können. Das wirft Mazzucato ihnen auch nicht vor. Ein gesellschaftliches Problem entstehe erst dann, wenn Technologiekonzerne wie Apple fast keine Steuern zahlen, der öffentlichen Hand also Teile der Rendite vorenthalten, die ihr zusteht.
Tatsächlich bietet Apple für diese Attacke ergiebiges Material.

 Als große Innovation beim iPhone gilt der Multi-Touchscreen, der das Wischen und virtuelle Tastaturen ermöglicht. Erfunden hat ihn ein Doktorand und sein Professor mit Mitteln eines Stipendienprogramms. Dann gründeten beide die Firma Finger Works, die Apple 2005 übernahm – zwei Jahre vor der Markteinführung des iPhone.

 Das Spracherkennungssystem Siri geht auf die Forschungsbehörde Darpa der US-Armee zurück, die ab 2000 einen virtuellen Assistenten für Militärangehörige hat entwickeln lassen. Daraus entstand 2007 ein Start-up, das Apple dann drei Jahre später kaufte.
Auch was ein Mobiltelefon erst zu einem Smartphone macht, hat seine Wurzel in staatlichen Forschungsprogrammen, meist anfangs mit militärischer Motivation.

 Im Kalten Krieg fürchteten die US-Behörden Angriffe auf zentrale Schaltanlagen der Kommunikationsnetzwerke. Deshalb suchten sie nach einem dezentralen System. Heraus kam schließlich, Ende der Achtzigerjahre, das Internet.

 Um Waffen besser lokalisieren und steuern zu können, entwickelte das US-Verteidigungsministerium ein Satellitennavigationsystem. Als GPS hat es seit seiner Freigabe Mitte der Neunzigerjahre unseren digitalen Alltag erobert.

 Den „Computer für die Westentasche“, als den man das iPhone zu Recht gefeiert hat, hat vor allem eine Erfindung möglich gemacht: integrierte Schaltkreise, durch die winzig kleine Prozessoren enorme Mengen an Informationen in Sekundenbruchteilen verarbeiten können. Als Erste gebaut haben sie zwar, mit Intel und Fairchild Semiconductor, zwei private Unternehmen. Aber die einzigen Kunden, die das alles auch finanzierten, waren in der ersten Phase die Nasa und die US-Armee.

Mehr Barmittel als der Staat

Von all dem hat Apple enorm profitiert. Der Erfolg ist so groß, dass der kalifornische Konzern schon 2011 mit 76 Mrd. Dollar höhere Barreserven hatte als der amerikanische Staatshaushalt. Doch Dankbarkeit ist keine betriebswirtschaftliche Kategorie: Apple verschiebt seine Gewinne, ähnlich wie Google, Oracle und Amazon, in Steueroasen. Vor allem dadurch, dass man das geistige Urheberrecht diesen Töchtern überträgt und diese dann Lizenzen kassieren lässt. Um die geparkten Gewinne heim nach Amerika bringen zu können, fordern die Technologiekonzerne lautstark Steueramnestien. Zumindest dabei erweist sich auch Apple als hoch innovativ.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.10.2015)

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