Gewerkschaft für Transitzonen

(c) APA/HERBERT NEUBAUER
  • Drucken

Österreichs oberster Polizistenvertreter Greylinger empört sich über Forderung deutscher Kollegen nach einem Grenzzaun. Die Verunsicherung versteht er aber.

Wien/Berlin. Deutschland soll einen Zaun hochziehen, die grüne Grenze dichtmachen zu dem Schengen-Mitglied in seinem Süden, zu Österreich. Diesen umstrittenen Vorschlag formulierte nun der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt. Ohne einen solchen Zaun seien ernst gemeinte Grenzkontrollen nicht durchführbar, meinte Wendt in der „Welt am Sonntag“. Mit einem Zaun verknüpft er die Hoffnung einer „Kettenreaktion“, dass also Österreich und Slowenien nachziehen würden und so der Flüchtlingsstrom versiege. Das Signal „Kommt alle her“ dürfe jedenfalls nicht mehr ausgesendet werden: „Unsere innere Ordnung ist in Gefahr, wir stehen vor sozialen Unruhen, jemand muss jetzt die Notbremse ziehen.“

Österreichs Gewerkschaftschef Hermann Greylinger zerpflückt den Vorstoß: „Die mischen sich in Sachen ein, für die sie nicht zuständig sind“, sagt er zur „Presse“ über seine deutschen Amtskollegen. Auch inhaltlich übt er scharfe Kritik: „Ich würde mir so etwas nicht wünschen. Mauern und Zäune haben auch noch nie jemanden aufgehalten.“ Die deutsche Verunsicherung versteht Greylinger aber: Österreich sei Transit-, Deutschland dagegen Zielland für Flüchtlinge. „Und es gibt ja Dokumentationen, dass die Polizei in Berlin zum Teil nicht mehr respektiert wird. Aber das sind nicht jene, die jetzt kommen. Die sind schon jahrzehntelang in Deutschland“, sagt das Mitglied der Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter (FSG).

Zugleich spricht sich Greylinger deutlich für die Schaffung von Transitzonen zur Entschärfung der Situation auch an Österreichs Grenze aus. „Das wäre sicher ein Mittel, um die Lage besser in den Griff zu bekommen“, sagt er zur „Presse“: Sein deutscher Amtskollege Wendt hatte allerdings erklärt, ohne Zaun machten Transitzonen keinen Sinn.

Wie die „Presse“ berichtete, prüft das Innenministerium in der Herrengasse, inwiefern ein Vorstoß der deutschen Regierung für die Schaffung von Transitzonen an der Grenze auch auf Österreich umlegbar wäre. Wobei über die von der bayrischen CSU vorangetriebenen Pläne in Deutschland ein erbitterter Koalitionsstreit herrscht: Die SPD-Spitze wehrt sich gegen diese „Haftzonen“ und „Massengefängnisse“. In den Transitzonen sollen nach Vorstellung der deutschen Kanzlerin Angela Merkel Asylverfahren für Antragsteller aus sicheren Herkunftsstaaten noch an der Grenze abgeschlossen werden.

Forderungskatalog an Mikl-Leitner

Österreichs Polizeigwerkschafter treibt unterdessen die Belastung ihrer Mitglieder um: Schon bisher sei der Normaldienst nur durch Überstunden zu bewältigen gewesen. Nun würden Kollegen auch in andere Bundesländer beordert. Die Stimmung sei nicht die beste. Die Gewerkschaft arbeite deshalb an einem Papier, das die Dienstgeberin, Johanna Mikl-Leitner, wohl nicht erfreuen wird: Anfang November soll der Innenministerin ein Forderungskatalog vorgelegt werden, so Greylinger.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Flüchtlinge an der Grenze zu Deutschland sollen besser kontrolliert werden können.
Außenpolitik

Deutsche Polizeigewerkschaft für Grenzzaun zu Österreich

Grenzkontrollen seien nur mit einem Grenzzaun durchführbar, sagt Vorsitzender Wendt. Er hofft auf Grenzkontrollen auch in anderen Staaten.
Angela Merkel.
Außenpolitik

Grenzschließung: Merkel weist Forderung ihrer Parteifreunde zurück

Die deutsche Kanzlerin bleibt trotz zunehmenden Drucks aus CDU und CSU auf Kurs. In der Bevölkerung sinkt der Rückhalt für die „Wir schaffen das“-Politik.
Joachim Herrmann
Außenpolitik

Flüchtlinge: "Deutschland hat falsche Signale gesetzt"

Bayerns CSU-Innenminister Herrmann kritisiert seine Bundesregierung und wirft Österreich vor, Migranten in Bussen an die Grenze zu karren.
Bavarian state Premier Seehofer addresses news conference in Munich
Außenpolitik

Flüchtlingskrise: Bayern droht Merkel mit Alleingang

Bayern fordert die deutsche Bundesregierung auf, die Zuwanderung sofort zu begrenzen. Es will Notmaßnahmen ergreifen, wenn Merkel nicht handelt.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.