Mobilität: Warum Wien weniger zu Fuß geht

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Das „Jahr des Zu-Fuß-Gehens“ feiert heute mit der Konferenz „Walk 21“ seinen Höhepunkt. Laut Statistik ist der Fußgängeranteil aber gesunken. Die Stadt hat eine Erklärung dafür.

Wien. Gehen ist jetzt smart. Die älteste Fortbewegung der Welt wurde 2015 zum Trend erklärt, das „Jahr des Zu-Fuß-Gehens“ ausgerufen. Ein ganzes Jahr lang präsentierte Wien mit unterschiedlichsten Imagekampagnen, wie gesund, modern und urban alles zwischen marschieren und spazieren ist. Gehen ist Teil der Smart-City-Strategie und trage zur hohen Lebensqualität bei. Insgesamt 580.000 Euro wurden für Apps, eine Fußwegkarte, Veranstaltungen, Informationsmaterial und Studien ausgegeben. Das Werbebudget dafür betrug 1,7 Millionen Euro.

Trotz der Anstrengungen ist der Anteil jener, die ihre Beine als Hauptverkehrsmittel wählen, laut Verkehrsstatistik „Modal Split“ der Wiener Stadtwerke seit 2010 nicht wie erwartet gestiegen, sondern leicht gesunken. Während 2010 noch 28 Prozent der Wege zu Fuß zurückgelegt wurden, waren es 2014 im Schnitt 26 Prozent. Auch interessant ist, dass diese Zahl in den unterschiedlichen Teilen Wiens stark variiert. Während in den Bezirken 1 bis 9, also im dicht verbauten Gebiet, rund 40 Prozent der Wege zu Fuß zurückgelegt werden, sind es etwa in Favoriten und Simmering nur die Hälfte davon.

Die Fußgängerbeauftragte Petra Jens hat für die sinkenden Zahlen eine Erklärung: „Der Modal Split zählt immer nur das gewählte Hauptverkehrsmittel. Jeder, der einen Weg mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegt, geht meistens aber auch ein Stück zu Fuß, das wird aber nicht erfasst.“ Die Statistik ist aus ihrer Sicht nicht valide. Der Anteil jener Wege, die mit einem öffentlichen Verkehrsmittel – und somit auch zu Fuß – zurückgelegt werden, ist in den vergangenen fünf Jahren von 36 auf 39 Prozent angestiegen.

Fußgängerkonferenz startet

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Was die Außenbezirke und fußgängerfreundliche Bedingungen in den Randgebieten betrifft, so gibt es aber Nachholbedarf – die meisten Projekte für Fußgänger wurden in den inneren Bezirken umgesetzt, in den Randgebieten würden noch andere Fragen der Mobilität im Fokus stehen: „Dort entwickelt sich viel – darum geht es eher darum, wo wird eine U-Bahn hingebaut oder kommt eine Buslinie“, sagt sie. Allerdings gebe es auch vermehrt Anfragen aus den Flächenbezirken, Bedingungen zu verbessern und Gehsteige auszubauen.

Inspiration für Lösungsansätze kann sich die Stadt ab heute, Dienstag, direkt im Rathaus abholen. Dort findet bis 23. Oktober mit „Walk 21“ der Höhepunkt, und vor dem Winter auch das Ende, des Fußgänger-Jahres statt. Rund 600 Teilnehmer werden erwartet. Kosten: 600.000 Euro bezahlt die Stadt Wien, 350.000 schießt der Bund zu. Auf dem Programm steht etwa ein Vortrag des Bürgermeisters von Oklahoma City, Mick Cornett, mit dem Titel „Meine Stadt macht eine Diät“. Aktivisten aus Deutschland und Mexiko sind angekündigt, sowie ein Guerilla Walk mit dem Künstler Oliver Hangl. Auch sonst wurde in den vergangenen fünf Jahre unter der ersten rot-grünen Regierung viel für Fußgänger getan: So wurde eben eine Fußgängerbeauftragte installiert – während es im Jahr 2010 rund 250.000 Quadratmeter Fläche für Fußgänger gab, sind es jetzt knapp 300.000 Quadratmeter. Der Flächenanteil für Fußgänger am gesamten Straßenraum beträgt 32 Prozent. Im Schnitt gehen fast 39 Prozent aller Wiener täglich zu Fuß, 18 Prozent vier bis fünf Mal pro Woche – Wien liege damit im internationalen Spitzenfeld, heißt es.

Mehr als nur Symbole

Mit der Umgestaltung der Mariahilfer Straße wurde gleichsam ein Denkmal für die fußgängerfreundliche Politik der vergangenen fünf Jahre gesetzt. Die australische Fußgängerexpertin Bronwen Thornton mahnte bei einem Spaziergang mit der „Presse“ durch Wien aber: „Es darf nicht nur bei Vorzeigeprojekten à la Mariahilfer Straße bleiben.“ Eben auch in den Wohngebieten müsse man etwas für die Bevölkerung tun, wenn man das Zufußgehen insgesamt attraktiver machen möchte.

Oft gehe es dabei nur um Kleinigkeiten: Gute Ampelschaltungen bei Kreuzungen, damit ein schnelles Passieren möglich ist. Sitzgelegenheiten oder niedrige Gehsteigkanten, damit auch alte Menschen oder Mütter mit Kinderwägen mühelos mobil bleiben können.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2015)

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