Wiens unendliche Sonntagsgeschichte

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Themenbild(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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In Wien wird wieder einmal über Tourismuszonen diskutiert. Die Kammer ist dafür, die Gewerkschaft blockt und sieht keine Priorität für dieses Thema: eine »Presse«-Zwischenbilanz.

2015 könnte das Jahr der Chinesen werden – zumindest in Wien. Denn in der Nächtigungsstatistik der Bundeshauptstadt sind Touristen aus China im Vormarsch: Seit Monaten liegt China unter den Top Ten im Nächtigungsranking. Für die Touristikmanager Grund zum Jubel, denn Besucher aus dem Reich der Mitte sind in Wien gern gesehen, auch deshalb, weil sie gern einkaufen. „Es kommen immer mehr Touristen aus asiatischen Ländern, heuer besonders aus China – und die meisten von ihnen sind sehr shoppingaffin“, sagt Vera Schweder, Sprecherin von Wien-Tourismus.

Wien erlebt seit einigen Jahren einen touristischen Höhenflug. Das Einkaufen zählt immer mehr zum Urlaubsvergnügen, vor allem bei den Städtetouristen. Diese landen meist am Freitag, absolvieren Samstag das touristische Pflichtprogramm und wollen Sonntag, am Abreisetag, noch einkaufen. Vor allem Luxusartikel oder spezielle Produkte, die sonst wenig angeboten werden. In Wien stehen sie aber vor verschlossenen Geschäften und sind verärgert. Schweder formuliert dies so: „Bei Gästebefragungen zu Einzelaspekten des Wien-Aufenthalts ist der Zufriedenheitswert bei der Shoppingfrage der niedrigste.“

Auch eine andere Umfrage, die von der Wirtschaftskammer initiiert wurde (Makam-Befragung von Touristen Anfang 2015), kommt zum gleichen Ergebnis: 66 Prozent der Wien-Touristen würden auch am Sonntag gern einkaufen gehen. Demnach sagen vor allem die finanzkräftigen Gäste aus Asien: „Die derzeitige Regelung entspricht nicht einer Weltstadt. “

Robert Wilder ist Geschäftsführer eines Spezialshops in der Krugerstraße, in dem exklusive Düfte und Rasurprodukte angeboten werden: „In unserem Bereich haben wir das größte Angebot Österreichs – und Produkte, die man sonst kaum finden kann.“ Wilder ist einer jener Unternehmer, die für eine Tourismuszone eintreten, vor allem in der Inneren Stadt. Denn: Viele Touristen seien am Sonntag enttäuscht, wenn sie in der Auslage interessante Sachen sehen, aber die Läden geschlossen seien. „Manche schreiben uns sogar ein E-Mail: ,Wir haben bei Ihnen etwas Interessantes gesehen, aber das Geschäft war zu.‘“

Das Thema Sonntags- und Feiertagsöffnung ist in Wien beinah schon eine unendliche Geschichte. Jahrelang wurde darüber, nichts geschah. Unter der Ägide von Walter Ruck, der seit eineinhalb Jahren Kammer-Chef ist, gab es einen Richtungswechsel: Er beauftragte eine Kammer-Umfrage, in der sich immerhin 73 Prozent der Unternehmer für eine Sonntagsöffnung aussprachen.

Die Gewerkschaft startete eine eigene Umfrage unter den Handelsangestellten. Wenig überraschend antworteten 96 Prozent auf die Frage „Wollen Sie persönlich am Sonntag arbeiten?“ mit Nein. Bürgermeister Michael Häupl blieb neutral, sprach sich vorsichtig für eine Sonntagsöffnung aus – aber nur, wenn sich die Sozialpartner darüber einig seien. Doch die Position der Sozialpartner war meilenweit auseinander, und somit gab es auch beim größten Wien-Event seit Jahren, beim Song Contest im Mai, keine offenen Geschäfte am Sonntag.

Für Kammer-Chef Ruck ist aber „nicht nachzuvollziehen, dass jeden Sonntag Heerscharen von Wien-Besuchern an heruntergelassenen Rollläden vorbeimarschieren müssen“. Die Kammer legte daher im Sommer den Entwurf für eine neue Tourismusverordnung vor. Diese sah die Schaffung von drei Tourismuszonen vor – Innere Stadt, Innere Mariahilfer Straße und die Gegend um Schönbrunn.

Überraschende Reaktion der Gewerkschaft: Das Konzept wurde nicht sofort abgelehnt, sondern eine Prüfung zugesagt. Jetzt sind knapp drei Monate vergangen, die Wien-Wahl ist geschlagen – und es wird weiter geprüft. Der Spartenobmann des Wiener Handels, Rainer Trefelik, startete diese Woche einen neuen Vorstoß und will die Gespräche in Schwung bringen. „Ich hoffe, dass 2016 das letzte Jahr der unsäglichen Diskussion ist“, sagte er. Er warte auf das Feedback der Gewerkschaft.

Doch dieses lässt sicher noch länger auf sich warten. Manfred Wolf, stellvertretender Bereichsleiter in der Gewerkschaft der Privatangestellten, sagt im Gespräch mit der „Presse“: „Es gibt einen klaren Auftrag der Beschäftigten – sie wollen das nicht.“ Der Kammer-Vorschlag sei außerdem „sehr dünn“ und müsse genau geprüft werden, damit eine Vereinbarung rechtlich wasserdicht sei. Wolf macht auch klar, dass das Thema keine Priorität hat. „Im Handel gibt es derzeit andere Sorgen, wie Kollektivvertragsverhandlungen oder Herausforderung durch E-Commerce. Tourismuszonen stehen auf unserer Agenda nicht vorn.“ Doch auch der Kammer bläst Wind von unerwarteter Seite entgegen. Die Chefs großer, außerhalb der geplanten Tourismuszonen liegender Einkaufszentren (wie Auhofcenter, Donauzentrum) haben laut Medienberichten angekündigt, rechtlich gegen Tourismuszonen vorgehen zu wollen. Kleinere Geschäfte – vor allem rund um die Mariahilfer Straße – klagen, dass eine Öffnung nur Kosten und zu wenig Umsatz bringen würde.

Dann ist da auch noch die genaue Abgrenzung der Tourismuszonen. Etwa: Wer darf am Rand der Mariahilfer Straße offen halten? Die genauen Details müssten ohnehin noch „in Feinverhandlungen“ abgestimmt werden, sagt ein Sprecher der Kammer. Resümee: Die Aussicht auf eine baldige Einigung ist sehr trüb.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.11.2015)

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