Unser Gesicht verrät, was wir kaufen

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Popular Balmain x H&M collaboration draws crowds Shoppers in the designated Balmain x H&M section ofimago/Levine-Roberts
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Wie kommunizieren wir 2025? Trendforscher Sebastian Raßmann über kluge Kontaktlinsen, sprechende Plakate und dynamische Bücher.

Trendforscher haben einen coolen Job. Sie schauen, was auf dem Markt gerade ausgetüftelt wird, testen Prototypen, versuchen, logische Schlüsse über unser künftiges Verhalten oder den Erfolg eines Produktes zu ziehen – und falls sie sich doch irren sollten, dann war alles zumindest eine spannende Idee. Sebastian Raßmann vom Hamburger Unternehmen Trendone nahm seine Zuhörer bei einem Vortrag in Graz diese Woche mit auf „eine Reise in das Jahr 2025“. Was wird sich geändert haben? „Wir werden nicht mehr vom Smartphone geweckt, sondern direkt von unserer Kontaktlinse.“ Dort kriegen wir alles eingeblendet – die Uhrzeit, den Wetterbericht, die News. Sie erkennt alles, was wir in die Hand nehmen, Objekterkennung, sie hilft beim Einkaufen, sorgt dafür, dass wir den Kalorienzähler immer im Blickfeld haben . . . Wir sind überall von einer digitalen Wolke umgeben, ständig mit dem Internet verbunden, und wenn wir auf die Straße treten, sagt uns die Gesichtserkennungsfunktion in unserer Linse, wie die anderen Passanten gelaunt sind und was sie von uns wollen.

Ob man das toll findet oder sich wegen des Datenschutzes die Haare rauft: Selbst wenn dieses Alltagsszenario Zukunftsmusik ist und das ziemlich sicher auch noch 2025 sein wird – an der University of Washington wird bereits an einer Kontaktlinse geforscht, die Texte und Bilder einblenden kann.

Aus Big Data wird Smart Data. „Werden wir die ,Kleine Zeitung‘ bald auf der Kontaktlinse lesen?“, fragt Raßmann. Möglich wäre es. Die neuesten Gadgets ermöglichen es Unternehmen auch, die Kunden mit individuellen Angeboten anzusprechen, sogar vorauszusehen, wofür sich diese interessieren. Aus Big Data wird Smart Data. „Es geht darum, die gesammelten Daten intelligent vorausschauend anzuwenden.“ Ein Beispiel aus Großbritannien: Das Technologieunternehmen Rehabstudio hat ein adaptives Schaufenster entworfen: Es verbindet sich mittels Bluetooth mit den Smartphones von Passanten, liest daraus Daten ab – etwa Einkaufsverhalten und Vorlieben –, spricht den Kunden beim Namen an und macht personalisierte Angebote. Wie auf einem Touchscreen kann man dann auf dem Schaufenster Poloshirts mustern, Farben wählen oder gleich ein Shirt bestellen. Schon im Einsatz sind Billboards, die durch Gesichtserkennung unterscheiden, ob ein Mann oder eine Frau davorsteht. In Deutschland nützt die Biermarke Astra diese Technologie, um weibliche Kunden zu gewinnen, weil die weniger Bier kaufen. Steht eine Frau vor dem digitalen Plakat, startet ein Video: Comedian und TV-Moderator Uke Bosse quatscht sie an, knipst Fotos, sagt à la Heidi Klum: „Ich habe leider kein Foto für dich“ – und schickt sie zum Trost auf ein Bier. Steht ein Mann da, bleibt das Billboard stumm. Auch Alter und Gemütszustand ließen sich ablesen und verwerten.


Eine Konsole fürs Glück? Die neuen Technologien versprechen mehr Zufriedenheit (nächstes Jahr kommt Emospark auf den Markt, die angeblich „einzige Konsole, die sich Ihrem Glück widmet“, indem sie das Licht aufhellt, wenn man betrübt ist oder die passende Musik wählt) – und sie versprechen mehr Ruhe. „Smart Notifications heißt das“, erklärt Raßmann: „Ich werde Push-Nachrichten nicht bekommen, wenn mein Smartphone weiß, dass ich in einem Meeting sitze.“ Und keine lokalen News, wenn ich gerade im Urlaub am Strand liege. Die „New York Times“ nützt die Möglichkeit, den Standort zu erkennen, anders: Sie schickt Lesern ihres Blogs die passenden Lokalnachrichten, indem sie über die IP-Adresse den Standort ausforscht. Besonders kreativ nützt das ein Verlag in Brasilien – und steht für noch einen Trend: dynamic storytelling. Ein digitaler Roman ändert den Ort der Handlung, je nachdem, wo sich der Leser befindet – und heißt dementsprechend: „Rio Mais una vez“, „Paris Mais una vez“ . . .

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2015)

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