Argentinien: Knapper Sieg für den Wandel

Mauricio Macri
Mauricio MacriREUTERS
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Der Oppositionskandidat Mauricio Macri gewinnt die Stichwahl. Das Regieren wird ihm nicht leicht fallen. Damit endet nach zwölf Jahren die Ära Kirchner.

Argentinien hat sich entschieden, das rote Amerika zu verlassen. Am Sonntag wählte das 40-Millionen-Land Mauricio Macri zum Präsidenten. Der rechts der Mitte positionierten Bürgermeister der Hauptstadt Buenos Aires ist seit Jahren der wichtigste Oppositionsführer. Im ersten Wahlgang am 25. Oktober hatte Macri mit 34 Prozentpunkten noch hinter dem Regierungskandidaten Daniel Scioli gelegen, der  damals etwa 37 Prozent erobert hatte. Doch nun kam Macri auf 51,5 Prozent,  Scioli errang 48,5 Prozentpunkte. Der Abstand fiel jedoch wesentlich knapper aus als von den Demoskopen vorhergesagt. Die meisten Institute hatten mindestens sechs Punkte Differenz ermittelt. 

Anders als beim ersten Wahlgang dauerte die Auszählung nicht bis tief in die Nacht, darum stellte sich gegen 21.40 Uhr Ortszeit zunächst der unterlegene Daniel Scioli seinen Anhängern und gratulierten dem Konkurrenten, verbunden mit der Bitte, das Land gut zu regieren, um „viele Dinge noch besser zu machen“. Nach dem Urnengang war Scioli wieder jener Mann des Ausgleichs, den die Argentinier seit langem kannten. Abgehakt jene vier Wochen voller bissiger Angriffe auf den Oppositionschef, den Sciolis Spin-Doctors als Reinkarnation aller neoliberalen Übel der 1990er Jahre darstellen wollten. Im Gegensatz zu seinen Anhängern und auch vielen engen Mitstreitern, die hinter seinem Rücken auf der Bühne mit ernsten Minen Aufstellung genommen hatten, wirkte Scioli lockerer und entspannter als in den Wochen zuvor.

Dem Kandidaten, den Cristina Kirchner trotz kaum verhehlter persönlicher Abneigung ins Rennen schicken musste, weil kein anderer realistische Siegeschancen hatte, war die Präsidentin während des Wahlkampfes immer wieder in die Parade gefahren und hatte es Scioli unmöglich gemacht, eine Mehrheit in der Mittelklasse zu finden.

Jubel bei den Anhängern von Macri
Jubel bei den Anhängern von MacriBloomberg

Die holte sich Mauricio Macri, trotz vieler vermeintlicher Mängel. Der Sohn eines der reichsten Industriellen Argentiniens musste seit seinem Eintritt in die Politik 2003 immer gegen den Ruf kämpfen, ein Schnösel zu sein, dem soziale Sensibilität und  Stallgeruch abgingen. Auch wenn seine Politik in der Regierung der Hauptstadt von den Wählern zwei mal bestätigt wurde (im Juli wählten die Einwohner Macris langjährigen Vertrauten Horacio Rodríguez Larreta zum Nachfolger), hatte Macri erhebliche Defizite gegenüber Kirchners „Siegesfront“, die in fast allen Provinzen herrscht, wesentlich mehr Geld ausgeben konnte noch dazu etwa 80 Prozent aller Medien des Landes kontrolliert. Wohl auch darum war Macri von der Regierung lange unterschätzt worden.

Für „unmöglich“ hatten viele Analysten einen Wahlsieg Macris noch vor fünf Wochen gehalten. Und dessen Partei PRO gar süffisant als „NGO“ abgekanzelt, als Nicht-Regierungsorganisation. Erst als am 25. Oktober Scioli den Sieg im ersten Anlauf verpasste und gleichzeitig die Provinz Buenos Aires, der grösste und bevölkerungsstärkste  Landes an die junge Macri-Mitstreiterin Maria Eugenia Vidal fiel, nahmen „Kirchneristas“ und Consultants den Herausforderer ernst. 

Rückkehr zu zivileren Umgangsformen und Respekt

Dessen Wahlsieg gründet auf einer Reihe erfolgreicher Entscheidungen. Während der gesamten Wahlkampagne ließ sich Macri nicht von persönlichen Angriffen und gezielten Operationen aus der Bahn werfen, stets blieb sein Diskurs verbindlich, tatsächlich war eines seiner wichtigsten Wahlversprechen eine Rückkehr zu zivileren Umgangsformen und Respekt vor den Institutionen. So berief Macri gleich für Montagmorgen eine Pressekonferenz ein, Cristina Kirchner hatte sich in acht Regierungsjahren nur ein einziges Mal Zeit für Fragen der Medien genommen. 

Entscheidend für Macris Triumph dürfte auch gewesen sein, dass er es vermied, unpopuläre Sparmaßnahmen anzukündigen. Auch wenn die meisten Wähler wissen, dass die neue Regierung den Peso abwerten,  Subventionen für Energie und Verkehr reduzieren und den aufgeblähten öffentlichen Dienst verkleinern wird müssen, vermied es Macri, sich genau zu erklären und verpasste auch noch seinem Wirtschaftsteam Maulkörbe. Anders als Scioli ließ sich der PRO-Chef nicht zu konkreten Wahlversprechen hinreißen.

Im Februar konnte Macri die „Union Civica Radical“ (UCR) zu einer Kooperation überzeugen. Die Traditionsgruppierung, alte Antithese zur peronistischen „Gerechtigkeitspartei“  hat ihre besten Tage hinter sich, verfügt aber bis heute über eine landesweites Organisationsnetz. Unter dem gemeinsamen Dach „Cambiemos“ konnten PRO und UCR die Provinzen Buenos Aires, Mendoza und Jujuy erobern, außerdem die Regierung in der Hauptstadt. Und nun auch noch die Zentralregierung.

"So viele Freude, so viel Erwartung, so viel Genugtuung"

„Wir haben heute das Unmögliche möglich gemacht!“, rief denn auch Macri seinen Anhängern im prall gefüllten „Bunker“ zu, als er denn um kurz vor zehn Uhr Abends auf die Bühne stieg, in beigefarbenen Chino-Hosen und offenem blauen Hemd. „So viele Freude, so viel Erwartung, so viel Genugtuung“ rief er seinen Fans zu. „Ich weiß gar nicht, wie ich das alles verarbeiten soll!“, sagte Macri, der, ganz anders als seine Vorgängerin Kirchner, keine pathetischen Reden liebt. Nach umfassenden Danksagungen an das Gefolge und sogar an die Sekretärin seines Vaters, die ihm bis heute treu dient, bat Macri auch jene Bürger, die ihm an diesem Sonntag nicht ihr Vertrauen schenken wollten, um ihre Unterstützung für die Rückkehr des Landes auf die Weltkarte. 

Macri weiß wohl, was ihn erwartet. Die Staatskassen sind leer und das Land ist immer noch, verheddert in dem New Yorker Rechtsstreit mit mehreren Hedgefonds, formell zahlungsunfähig. Um vier Jahre ohne Wachstum hinter sich zu lassen, müssen Argentiniens Inflationswerte sinken, was nur geht, wenn die Staatsausgaben sinken. Doch Sparpakete wird Macri nicht allein schnüren können. Im Kongress hat sein Bündnis Cambiemos keine Mehrheit und der Senat wird noch dazu von Kirchners „Siegesfront“ dominiert. Darum muss Macri unbedingt versuchen, Konsens zu schaffen, mit kleineren Parteien, aber auch mit der „Siegesfront“, in der Cristina Kirchner trotz ihres von der Verfassung verlangten Abschied vom Amt immer noch erheblichen Einfluss ausüben wird. 

Am Dienstagabend wird Macri in Kirchners Residenz erwartet, um die Übergabe der Staatsmacht zu planen. Am 10.Dezember wird Cristina Kirchner ihrem schärfsten Kritiker die weiss-blaue Amtsschärpe überstreifen, die sie dereinst von ihrem Mann Néstor übernahm. Die Argentinier haben entschieden, dass eine Ära enden soll.

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