Tusk: Flüchtlingswelle zu groß "um sie nicht zu stoppen"

 Donald Tusk
Donald TuskAPA/EPA/OLIVIER HOSLET
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Der EU-Ratspräsident fordert bis zu 18-monatige Überprüfungen von Migranten und Flüchtlingen vor der Einreise. Sie gelangen "zu einfach" in EU.

EU-Ratspräsident Donald Tusk hat eine Kehrtwende in der europäischen Flüchtlingspolitik gefordert. So will er den Zustrom von Flüchtlingen durch eine drastische Ausdehnung der Prüfzeit vor der Einreise bremsen. "Derzeit ist der Zutritt nach Europa zu einfach", sagte Tusk in einem Interview der "Süddeutschen Zeitung" und weiterer europäischer Blätter.

Im Völkerrecht und auch im EU-Recht gebe es eine Regel, wonach "18 Monate für die Überprüfung gebraucht werden", sagte der frühere polnische Ministerpräsident. Um Einwanderer und Flüchtlinge zu überprüfen, brauche man mehr als nur eine Minute für Fingerabdrücke. Donald Tusk: Flüchtlinge gelangen "zu einfach" in EU

Es gehe nicht nur darum, den Zustrom von Flüchtlingen zu stoppen, sondern auch um die Sicherheit in Europa. Von den politischen Führern erwarte er in dieser Hinsicht eine veränderte Einstellung. "Manche von ihnen sagen, die Flüchtlingswelle sei zu groß, um sie zu stoppen. Das ist gefährlich." Gesagt werden müsse vielmehr: "Diese Flüchtlingswelle ist zu groß, um sie nicht zu stoppen." Niemand in Europa sei bereit, "diese hohen Zahlen aufzunehmen, Deutschland eingeschlossen".

Tusk auf Konfrontationskurs mit Merkel

Mehrmals ging der EU-Ratspräsident im Gespräch auf Konfrontationskurs mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel. "Wenn wir Regeln haben, dann müssen wir sie einhalten", sagte Tusk. Das gelte etwa für das Dublin-Verfahren, das die Rückführung von Flüchtlingen in das Land vorsieht, über das sie in die EU eingereist sind. "Wir können vor unseren Verpflichtungen nicht davonlaufen. Auch Deutschland nicht", sagte Tusk. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hatte das Dublin-Verfahren als "obsolet" bezeichnet.

Auch in der Frage der EU-Flüchtlingsquoten stellte er sich gegen Merkel, die seit Monaten für eine Umverteilung der Neuankömmlinge unter allen EU-Staaten kämpft. Gegen den Widerstand Polens und anderer osteuropäischer Länder hatten die EU-Innenminister im September zunächst eine Umsiedlung von 120.000 Flüchtlingen aus Griechenland und Italien beschlossen.

Die Entscheidung per qualifizierter Mehrheit grenze an "politische Nötigung", sagte Tusk, der die Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs einberuft und leitet. Er könne verstehen, dass es mehrere Länder gebe, die sich gegen einen permanenten und verbindlichen Umverteilungsmechanismus stemmten.

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(APA/dpa/Reuters)

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