Neue Zwischenhändler für Zeitungen

Das Start-up-Unternehmen Blendle hat nun auch Österreich erreicht: "Profil" bietet Artikel à la carte über diesen niederländischen digitalen Kiosk an.

Was ist besser für informierte Bürger? Um zwei bis drei Euro die Zeitung zu kaufen, der man vertraut, und aus einer Vielzahl von Artikeln das Weltgeschehen zu erlesen, samt Unterhaltung, scharfen Analysen und meinungsbildenden Kommentaren, wo immer man will – im Wohnzimmer, im Bett, in der U-Bahn? Oder je zehn Cent bis zwei Euro für Artikel zu bezahlen, die ein digitaler Zwischenhändler aus Dutzenden Medien anbietet? Dieser Dienstleister stellt sich auf seine Kunden genau ein. Er bietet ihnen wie von selbst eine perfekt personalisierte Zeitung an und lockt wohl auch noch mit weiteren passenden Angeboten.

Leser von Tageszeitungen in Österreich bevorzugen bisher das erste Modell – die gedruckte Zeitung oder Zeitschrift. Sie sind besonders treu, vor allem, wenn man sie mit jenen in den USA und in Westeuropa vergleicht, selbst mit jenen in Deutschland. Die Gratiskultur im Netz hat aber dazu geführt, dass besonders Jüngere auf Gedrucktes verzichten. Sie klicken sich via Smartphone oder Tablet rund um die Uhr durch die Medienwelt, ohne für diese Dienstleistung zu bezahlen. Deshalb haben Verlage in den USA längst damit begonnen, Pay-Walls für ihre Inhalte zu errichten – bisher zumeist mit mäßigem Erfolg. Der Trend zu neuen Bezahlmodellen hat inzwischen auch Europa erreicht, in diesem Herbst ist er auch in Österreich kräftig zu spüren, mit ganz unterschiedlichen Modellen.


Flatrate. Wie aber macht man solche Surfer zu Kunden? Erst gab es Alleingänge. Fast jede Zeitung bietet inzwischen billigere E-Paper an, digitale Imitationen der gedruckten Produkte. Manche Verlage hingegen forcieren flexiblere Onlineausgaben, die sich nur durch Werbung finanzieren. Deren Erfolge sind bisher so überschaubar wie jene von Zeitungen, die nur über Online-Abos verkauft werden. Eine weitere Möglichkeit sind Bündel, wie sie jüngst der Styria-Verlag gemeinsam mit einem direkten Konkurrenten geschnürt hat: eine Flatrate, bei der man vier Zeitungen als E-Paper wie auch in Apps (fast zum Preis von einer) bekommt. Neben der „Presse“ sind das die „Kleine Zeitung“, das „Wirtschaftsblatt“ und der „Standard“. Wer eine dieser Zeitungen bereits in gedruckter Form abonniert hat, erhält die E-Versionen sogar noch günstiger, derzeit um 12,90 Euro – das Komplettangebot für Vielleser.

Eine Alternative kommt gerade aus den Niederlanden zu uns. 2013 hat dort der junge Journalist Marten Blankesteijn mit Alexander Klöpping nach dem Muster der US-Software-FirmaFlipboard das Start-up-Unternehmen Blendle gegründet. Im April 2014 ging es online. Es handelt sich um einen der eingangs erwähnten Zwischenhändler. Man verlangt sogenannte Micropayments für einzelne Artikel aus ausgewählten Blättern, bisher zu kulanten Bedingungen: Entspricht der Text nicht den Erwartungen, darf der Leser das Geld zurückfordern. Aber wer reklamiert schon 20 oder 50 Cent? Vom Profit gehen 70 Prozent an die Verlage, 30 an Blankesteijns digitalen Vertrieb.


Deutschsprachiger Markt. Anfangs bot die Firma Zeitungen und Zeitschriften aus Holland, Belgien und England an. Kunden konnten aus 56 Printprodukten wählen. Nach nur einem Jahr nutzten 250.000 Leser diesen Dienst. Seit September gibt es Blendlemit drei Dutzend Zeitungen und Zeitschriften, darunter sehr renommierte, in Deutschland. Inzwischen hat der Händler eine halbe Million Kunden. Und seit dieser Woche ist auch „Profil“ dabei. Texte des österreichischen Nachrichtenmagazins kosten dort bis zu 69 Cent.

Was wird gelesen? Der deutsche Topseller im ersten Monat war ein Artikel aus „Cicero“ über Nahost, gefolgt von einer Flüchtlingsgeschichte in der „Zeit“. Seine Kunden kennt Blendle genau. Wenn aber demnächst Apple mit einer News-App groß ins Zeitungsgeschäft einsteigt, und dann auch noch Google und Facebook Kioske betreiben, wird der Leser bald völlig transparent sein. Außer, er sitzt im Kaffeehaus und liest mit Genuss sein Leibblatt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.12.2015)

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