Angeklagt: Prozess gegen Chinas furchtlosen Menschenrechtler

FILE CHINA TRIALS PU ZHIQIANG
FILE CHINA TRIALS PU ZHIQIANG(c) APA/EPA/YONGPING XU
  • Drucken

Chinas prominentester Bürgerrechtsanwalt, Pu Zhiqiang, sitzt wegen „Anstiftung zum ethnischen Hass“ auf der Anklagebank. Die Polizei geht rabiat gegen Unterstützer und ausländische Journalisten vor.

Peking. Mit ein paar Unterstützern dürften die chinesischen Sicherheitskräfte wohl gerechnet haben. Aber anscheinend nicht mit so vielen. Umso rabiater gingen sie vor: Westlichen Diplomaten verweigerten sie den Zugang. Auf ausländische Kameramänner schlugen sie ein. Wer auch nur versuchte, in die Nähe des Pekinger Gerichtsgebäudes zu kommen, wurde verhaftet.

Zum Auftakt im Prozess gegen den Anwalt Pu Zhiqiang kamen nicht nur – wie erwartet – westliche Diplomaten und ausländische Journalisten als Prozessbeobachter und Berichterstatter. Trotz des dichten Smogs und nasskalten Winterwetters fanden sich bereits am frühen Montagmorgen auch rund zwei Dutzend chinesische Unterstützer vor dem Gerichtsgebäude ein. Die meisten dürften um die Gefahren gewusst haben, die in China Demonstranten drohen. Trotzdem hielten sie Schilder hoch mit der Aufschrift: „Ohne Rechtsstaat wird China keine Hoffnung und keine Zukunft haben.“ Es gehe immerhin um Pu Zhiqiang, sagte eine Aktivistin. „Er hat uns allen schon geholfen.“

Pu ist Chinas prominentester Menschenrechtsanwalt. Der 50-Jährige hat schon Ai Weiwei vertreten, regimekritische Blogger, Schriftsteller, Journalisten und Dissidenten, aber auch Tibeter und Uiguren, die sich für mehr Freiheiten in ihrer Heimat einsetzen. Seit 18 Monaten sitzt der unter Diabetes leidende Anwalt selbst im Gefängnis.

Bis zu acht Jahre Haft angedroht

Im Mai 2014 nahmen Polizisten ihn und andere Mitstreiter während einer privaten Gedenkfeier fest. Sie hatten sich zusammengefunden, um der Opfer des Tian'anmen-Massakers vom 4. Juni 1989 zu gedenken. Pu wird „Anstiftung zum ethnischen Hass“ vorgeworfen. Als Beleg führte man 30 Kurzmitteilungen an, die er zwischen 2011 und 2014 über den twitterähnlichen Dienst Weibo abgeschickt hatte. Er soll damit „Streit angezettelt und Ärger provoziert haben“. Dafür drohen ihm bis zu acht Jahre Haft.

Dabei hat Pu auch vorher schon keinen Hehl gemacht, wie er zu gewissen politischen Dingen in seinem Land steht. Als Student an der renommierten Nankai-Universität in Tianjin und später dann in Peking nahm er 1989 selbst an den Demokratieprotesten auf dem Tiananmen-Platz teil. Immer wieder prangerte er die Korruption und anderes Unrecht im Land an, auch das Vorgehen der chinesischen Führung gegen Tibeter oder Uiguren. Später als Anwalt gründete er mit anderen Juristen den Zusammenschluss Weiquan. Dieser bot vor allem politisch Verfolgten und Regimekritikern Rechtsbeistand.

Mit einigem Erfolg: Als er 2004 zwei Schriftsteller verteidigte, die in ihrem Bestseller einen lokalen Kader der Kommunistischen Partei porträtierten, gelang es Pu vor Gericht, die Kläger argumentativ so sehr an den Pranger zu stellen, dass am Ende sie als die Beklagten dastanden. Im selben Jahr gewann er ein Verfahren wegen Verleumdung gegen das „China Reform Magazine“, das kritisch über einen Grundstücksentwickler berichtet hatte, der auch fragwürdige Geschäftsbeziehungen zu lokalen Parteisekretären pflegte. Dieser Erfolg machte Pu im ganzen Land bekannt. Seit diesen beiden Fällen ist er den kommunistischen Führern ein Dorn im Auge. Sie ließen ihn in den darauffolgenden Jahren mehrfach verhaften und verhören.

Urteil in den nächsten Tagen.

Pus Verteidiger, Mo Shaoping, selbst im Visier der chinesischen Behörden, erwartet einen schnellen Prozess. Es gebe zwar keinen konkreten Termin, aber ein Urteil sei bereits „in den nächsten Tagen“ zu erwarten.

Davon geht auch ein westlicher Diplomat aus, der am Morgen vor dem Gerichtsgebäude stand und die Tumulte beobachtete. Die Vereinigung der Auslandskorrespondenten in China (FCCC) hat das gewaltsame Vorgehen der Sicherheitskräfte beim Prozessauftakt scharf kritisiert. Der Versuch, die Berichterstattung zu verhindern, sei ein Verstoß gegen die Regeln für ausländische Korrespondenten in China, kritisierte der Verein. Chinas Führung wolle nicht, dass in den nächsten Tagen noch mehr Bilder von prügelnden Polizisten um die Welt gehen, glaubt der Diplomat. Das empfinde sie als „Gesichtsverlust“.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.12.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Pu Zhiqiang im Jahr 2012
Weltjournal

China: Prozess gegen Ex-Anwalt von Ai Weiwei beginnt

Der chinesischen Bürgerrechtsanwalt Pu Zhiqiang muss sich wegen "Anstiftung zum ethnischen Hass" verantworten. Ein rasches Urteil wird erwartet.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.