Heuer kein Abschluss wegen Streits mit Slowenien.
BRÜSSEL/LJUBLJANA (Reuters/AFP/APA/go). Die Verhandlungen über einen Beitritt Kroatiens zur EU werden so gut wie sicher nicht mehr heuer abgeschlossen werden, obwohl das der ursprüngliche Plan war. Grund dafür ist der sich zusehends verhärtende völkerrechtliche Streit um die Seegrenze zwischen Kroatien und seinem nördlichen Nachbarn und EU-Mitglied Slowenien.
Als sich die beiden Staaten im Jahr 1991 für unabhängig erklärten und damit die Auflösung Jugoslawiens einleiteten, war die genaue Grenze in der Bucht von Piran unklar. Früher war es egal, welche jugoslawische Teilrepublik wie viel von dieser Bucht hatte, die den Zugang zum slowenischen Hafen Koper eröffnet. Heute dagegen hätte Slowenien nach dem Grenzverlauf, den Kroatien in den vergangenen 18 Jahren mit allerlei Gutachten zu begründen versucht, keinen Zugang zur See.
Seit Jänner dieses Jahres versucht auch EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn zu vermitteln. Er hat vorgeschlagen, dass ein Schiedsgericht die Frage klärt. Dazu wären Ljubljana und Zagreb auch bereit. Bloß können sie sich nicht darauf einigen, welches Mandat es haben und wie es zusammengesetzt sein soll.
In der Nacht von Donnerstag auf Freitag erreichte der Streit einen neuen Tiefpunkt. Sloweniens Außenminister Samuel Zbogar warf Kroatiens Regierungschef Ivo Sanader „Unkenntnis der EU“ vor und sagte, es sei Zeit „für eine Atempause“. Sanader hatte vorgeschlagen, dass die beiden Länder entweder eine gemeinsame Erklärung abgeben sollten, wonach kein nach 1991 beschlossenes Dokument den Grenzverlauf vorwegnehmen solle. Das hieße den Streit zu vertagen. Oder aber die Rechtsexperten von EU-Kommission und EU-Rat sollten klären, ob so ein Präjudiz überhaupt möglich sei.
Weil die EU-Kommission umbesetzt wird, ist kein Fortschritt vor dem Spätherbst zu erwarten. Sanader gestand ein, dass die Verhandlungen über den Beitritt (Zieldatum: 2011) heuer nicht mehr fertig würden. Es ist zu erwarten, dass das Ratsvorsitzland Schweden ab Juli Druck auf Slowenien machen wird.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.06.2009)