„Die Regisseure wollen immer möglichst kleine Kinder“

(c) Wiener Staatsoper
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Die große Kinderoper „Fatima“ wird am 23. Dezember an der Wiener Staatsoper uraufgeführt: Flötist Wolfgang Zuser und Kinderchor-Leiter Johannes Mertl über die Arbeit hinter den Kulissen, den neuen Jugendchor und das Zusammenspiel von Bühnenorchester und Philharmonikern.

Johanna Doderer komponierte „Fatima“ nach einer Erzählung von Rafik Schami: Die Titelheldin, ein beherztes Mädchen, wettet mit dem bösen Schlossherrn und kann trotz dessen unsauberer Tricks die von ihm gefangenen Kinderträume befreien. Eine Art „Traumfresserchen“ Nummer zwei, nach dem Abbau des Kinderzelts und der Übersiedlung der Produktionen für die jüngsten Opernbesucher in die Walfischgasse wieder eine Gelegenheit, Kinder ins Haus am Ring zu bringen. Schon vor ein paar Jahren gab man dort Hans Werner Henzes „Pollicino“. Nun hat Doderer eine Auftragskomposition geliefert, mit allem, was zu einem großen Opernabend dazugehört, inklusive großen Orchesters.

Grund genug, vor der Premiere einmal zwei Herren zu Wort kommen zu lassen, die sonst in der Regel hinter der Szene agieren: Wolfgang Zuser, Flötist und Betriebsrat des Bühnenorchesters, das traditionsgemäß die Kinderaufführungen musiziert, und Johannes Mertl, Leiter des Kinderchors, der für die Jugendlichen auf der Bühne zuständig ist.
Mertl hat im Herbst mit den Kindern zu arbeiten begonnen. „Das Stück“, so erzählt er, „ist doppelchörig. Es gibt einen Chor und einen Echochor. Und es ist, obwohl Johanna Doderer durchaus traditionsverbundene Musik schreibt, schwer zu lernen. Es dauert, bis die Kinder in die Tonsprache wirklich eingedrungen sind.“

Von der Möglichkeit, in einem Haus wie der Staatsoper selbst auf der Bühne zu stehen und zu singen, träumen offenbar viele: „Jedenfalls“, sagt Mertl, „haben wir keine Nachwuchsprobleme. Circa 100 Kinder bewerben sich für jedes unserer Vorsingen.“

Kinderchor mit großem Repertoire

Die werden dann alle angehört. „So etwa 15 nehmen wir pro Spielzeit auf.“ Sie werden den drei Gruppen zugeteilt, mit denen am erstaunlich großen Repertoire gearbeitet wird. Komponisten wie Puccini („La Bohème“), Massenet („Werther“), Bizet („Carmen“), Mussorgsky („Boris Godunow“ und „Chowanschtschina“), Wagner („Parsifal“) und viele andere verlangen Kinder – nur die drei Knaben in Mozarts „Zauberflöte“ werden bis heute von Mitgliedern der Wiener Sängerknaben gesungen.

Die Zuteilung ist nicht immer leicht, denn „die Regisseure wollen natürlich immer möglichst kleine Kinder. Und die Mädchen schauen nach wenigen Jahren immer mehr aus wie unsere Chordamen.“ Das Erwachsenwerden zeigt sich immer früher. „Wir haben jetzt aber auch einen Jugendchor installiert“, sagt Mertl: „Im ,Parsifal‘ tragen die Jugendlichen weite Kutten, das müssen keine Kleinkinder sein. Und im ,Nussknacker‘ wird hinter der Szene gesungen.“
Außerdem holt man den Kinderchor der Staatsoper mehr und mehr zu Konzerten außer Haus: „Unlängst waren wir bei Schumanns ,Faustszenen‘ unter Daniel Harding im Konzerthaus dabei.“

Im Stammhaus funktioniert die Zusammenarbeit der einzelnen Gruppen besser denn je, empfinden beide Herren: „Da ist unter Dominique Meyer viel passiert“, sagt Wolfgang Zuser. Für das Bühnenorchester stellen die Kinderopern übrigens nicht die einzigen Dienste dar, die man im Orchestergraben absolviert. Meist heißt es freilich: Eine Verdi-Banda hinter der Szene (etwa gleich am Beginn des „Rigoletto“), Trompetensignale oder Fanfaren (etwa in „Aida“), eine Wirtshausmusik (im „Rosenkavalier“) oder die verschiedenen, ineinander verschachtelten Tänze auf dem Fest von Mozarts „Don Giovanni“. Bedient wird auch die Volksoper, wenn es dort Bühnenmusik braucht. „Sogar das Burgtheater hat wieder Interesse angemeldet.“

Das Bühnenorchester ist in jüngster Zeit wieder enger mit den „philharmonischen“ Kollegen des Staatsopernorchesters zusammengerückt. Da es eine Spielverpflichtung für Mitglieder des Bühnenorchesters im Staatsopernorchester gibt – „wenn die Philharmoniker reisen, spielen am Abend im Orchestergraben oft 20 Prozent unserer Musiker“ –, sind bei Probespielen fürs Bühnenorchester immer auch Mitglieder der Philharmoniker dabei. Auch ist der Weg vom Bühnenorchester ins Staatsopernorchester nicht ungewöhnlich: Erst vor wenigen Tagen schaffte ein Kollege das Probespiel und ist demnächst zweiter Klarinettist im Staatsopernorchester.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2015)

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