Gesundheit: Ärzteprotest gegen „Überwachung“

Spitalsärzte sollen künftig während der Nachtdienste halbstündlich ihre gerade durchgeführte Arbeit dokumentieren.
Spitalsärzte sollen künftig während der Nachtdienste halbstündlich ihre gerade durchgeführte Arbeit dokumentieren.(c) APA/HELMUT FOHRINGER
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In Wiener Gemeindespitälern sollen Ärzte künftig in Nachtdiensten halbstündlich ihre Tätigkeit dokumentieren. Die Ärztekammer ist empört und spricht von „Überwachung à la Orwell“.

Wien. Ein kleines digitales Gerät in der Größe und Form eines Smartphones sorgt seit dem Wochenende für enormen Unmut unter den Wiener Spitalsärzten. Damit sollen sie ab Anfang Jänner 2016 ihre gerade durchgeführte Tätigkeit während der Nachtdienste dokumentieren, und zwar im Schnitt halbstündlich – immer dann, wenn sie das voreingestellte Gerät daran erinnert. Der Krankenanstaltenverbund (KAV) sieht in dieser Maßnahme eine befristete wissenschaftliche Erfassung von Daten zur Arbeitsleistung von Ärzten in der Nacht. Ärztekammer und Personalvertretung der Ärzte hingegen fühlen sich an „eine Überwachung à la George Orwell“ erinnert und wollen die Umsetzung des Plans verhindern.

Kammerpräsident Thomas Szekeres zufolge wurde am Freitag die Belegschaft des Krankenhauses Hietzing und des Wilhelminenspitals ohne Vorankündigung darüber informiert, dass demnächst elektronische Geräte zur Dokumentation der Tätigkeit in Nachtdiensten ausgeteilt werden und ab Jänner zum Einsatz kommen sollen. „Das hört sich für mich nach einer reinen Überwachung an und erinnert an George Orwell“, sagt Szekeres. „Nachtdiensträder wurden ja nicht von den Ärzten selbst, sondern vom Management ins Leben gerufen, weil sie notwendig sind. Die Kollegen sind während dieser Dienste beschäftigt genug und werden durch so ein Gerät nur abgelenkt – zum Nachteil der Patienten.“

Rechtliche Schritte geprüft

Zudem habe sich der KAV zu dieser Maßnahme ohne Zustimmung der Personalvertretung entschlossen. „In keinem Beruf der Welt kann man so etwas einführen, ohne vorher mit den Betroffenen gesprochen zu haben“, meint Szekeres. „Daher prüfen wir gerade rechtliche Schritte. Laut Arbeitszeiterfassungsgesetz müssen Maßnahmen wie diese mit der Personalvertretung abgestimmt werden.“

Auch Wolfgang Weismüller, Vorsitzender des Personalgruppenausschusses Ärzte, übt scharfe Kritik an der Vorgehensweise des KAV. „Wir wissen nicht, was damit bezweckt wird. Es wurde ohne unser Wissen über uns drübergestülpt“, beklagt Weismüller. Seit der Umsetzung des neuen Arbeitszeitgesetzes, wonach Ärzte nicht länger als 48 Stunden pro Woche arbeiten dürfen, fehle im Vergleich zu früheren Jahren rund ein Drittel an Arbeitszeit. „Es ist ja nicht so, dass wir mehr Ärzte geworden wären, durch die Arbeitsbelastung haben wir daher eine Verdichtung der Arbeitszeit erfahren.“

Folglich sei die Belegschaft nicht gerade begeistert, wenn sie der Dienstgeber jetzt mit Überwachungsgeräten ausstattet, „um zu überprüfen, ob sie überhaupt arbeitet“. Seine These: „Ich glaube, es geht darum, Arbeitsplätze zu streichen. Unsere Zustimmung wird es daher auf keinen Fall geben.“

Für „indiskutabel“ hält diesen Plan auch Albert Tuchmann, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Chirurgie. Er macht sich vor allem Sorgen um die Patientensicherheit. Man könne von einem Arzt nicht verlangen, „seine Tätigkeit und Konzentration zu unterbrechen, um seine Präsenz aufzuzeigen“. Die Pläne des KAV müssten Plattformen für Patientensicherheit auf den Plan rufen. Eine solche Überwachung sei eine „Zumutung für Ärzte“ und mache es unmöglich, im Sinne der Patienten zu handeln. Tuchmann: „Ich kann ja bei einem 20-minütigen Gespräch mit einem Patienten nicht nach 15 Minuten sagen, dass ich mich kurz in ein Gerät einloggen und meine Tätigkeit dokumentieren muss, und wir erst danach weiterreden können.“

Zwischen zehn und 50 Minuten

Geplant ist der Einsatz der Geräte laut KAV in den Abteilungen Chirurgie, Gynäkologie und Kardiologie – in der Zeit zwischen 19 Uhr und acht Uhr. In welchem Rhythmus die diensthabenden Ärzte ihre konkrete Arbeit eingeben müssen, hänge unter anderem von der Station und dem Tätigkeitsbereich ab – möglich seien Einstellungen zwischen zehn und 50 Minuten. Zur Auswahl stünden etwa „Arbeit am Patienten in Station“, „Arbeit am Patienten in OP“, „Visite“, „Ruhezeit“, „Angehörigengespräch“ oder „Arbeit am Patienten in Ambulanz“. Die Tätigkeitserfassung soll nach sieben Wochen wieder beendet und ausgewertet werden.

Auf einen Blick

Kontrolle. Ab Jänner 2016 sollen Ärzte in Wiener Gemeindespitälern während der Nachtdienste im Schnitt alle 30 Minuten von einem kleinen elektronischen Gerät daran erinnert werden, ihre aktuelle Tätigkeit zu dokumentieren. Der Krankenanstaltenverbund sieht in dieser Maßnahme eine wissenschaftliche Erfassung von Daten zur Arbeitsleistung von Ärzten. Die Ärztekammer hingegen ortet eine unzulässige Überwachung und will dagegen vorgehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2015)

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