USA: Westen stößt sich an UN-Finanzgipfel

(c) Bilderbox (Erwin Wodicka)
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Die Vereinten Nationen halten einen Gipfel zur Wirtschaftskrise ab. Dabei werden Forderungen wie das Ende des Dollars als Leitwährung laut. Viele westliche Länder bleiben der Versammlung aber fern.

New York. Es war eine schwere Geburt. Monatelang war der erste Finanzgipfel der Vereinten Nationen für Anfang Juni geplant gewesen. Sämtliche Einladungen hatten bereits ihre Destination erreicht, als sich abzeichnete, dass sich die 192 Mitgliedsstaaten auf keine Zielvorgabe für das Treffen einigen können. Die UNO verschob den Gipfel kurzfristig um drei Wochen. Selbst eine Absage stand zwischenzeitlich im Raum.

Schließlich fand man doch einen gemeinsamen Nenner, und Generalsekretär Ban Ki-moon eröffnete den dreitägigen Krisengipfel am Mittwoch. „Wir kämpfen gegen die schlimmste Weltwirtschaftskrise seit der Gründung der Vereinten Nationen vor 60 Jahren“, sagte der Koreaner. „Alleine im heurigen Jahr könnten weltweit bis zu 50 Millionen Jobs verloren gehen. Wir brauchen internationalen Zusammenhalt.“

Bei der Rede von Ban Ki-moon blieben viele Plätze im Hauptraum der UN-Vollversammlung jedoch leer. Mehr als 50 Staaten haben ihre Teilnahme am Gipfel bereits im Vorfeld abgesagt. Die meisten anderen schickten Diplomaten auf Minister- oder Beamtenebene, was für einen offiziellen Gipfel der Vereinten Nationen unüblich ist. Österreich entsandte den Staatssekretär für Finanzen, Reinhold Lopatka. Lediglich 14 Staats- oder Regierungschefs nehmen an dem Treffen teil.

Der Grund: Der Westen stößt sich an den Forderungen der südlichen Welt. Mehrere Diplomaten von Industriestaaten bezeichnen den Gipfel als „absurd“ und die Erwartungen der Entwicklungsländer als „unrealistisch“. Ein besonderer Dorn im Auge ist vielen der nicaraguanische Vorsitzende der UN-Hauptversammlung, Miguel d'Escoto Brockmann. Der frühere Priester verfolgt eine sozialistische Wirtschaftspolitik, fordert ein Ende des freien Marktes und bezeichnet das System des Kapitalismus als „das Übel der Welt“. Einige andere Reden, etwa jene des bolivianischen Präsidenten, Evo Morales, gingen inhaltlich in dieselbe Richtung.

Neben den Diplomaten nimmt auch eine von d'Escoto Brockmann ernannte Expertenkommission an dem Gipfel teil. Deren Vorsitzender, Nobelpreisträger Joseph Stiglitz, sorgte zuletzt mit der Forderung nach einem Ende des US-Dollars als Leitwährung für Aufsehen. Geht es nach Stiglitz, soll der Internationale Währungsfonds (IWF) in Washington als „Weltzentralbank“ agieren und den Wert einer fiktiven Weltwährung aus dem Durchschnitt wichtiger Währungen wie Dollar, Euro und Yen ermitteln.

Damit könne man Währungskrisen vermeiden, weil sämtliche Staaten einen Großteil ihrer Reserven in dieser fiktiven Weltwährung halten würden und deshalb Kursrisiken nur bedingt ausgeliefert wären, sagt Stiglitz. Viele Ökonomen und Politiker der Industriestaaten halten diese Idee allerdings für undurchführbar. Sie argumentieren, dass die Risiken dadurch vergrößert würden, weil die ganze Weltwirtschaft von einer Währung abhinge.

Keine konkreten Aktionen

Ein umfangreiches Aktionspaket ist im Rahmen des Krisengipfels der Vereinten Nationen nicht zu erwarten. Der im Vorfeld verhandelte Ergebnistext sieht „eine Verstärkung der Hilfen für die Entwicklungsländer vor“. Die UN-Botschafterin der USA, Susan Rice, sagte im Rahmen ihrer Gipfelrede, dass die „Vereinigten Staaten eine Mitverantwortung für die gegenwärtige Krise tragen“ und deshalb ihre „Entwicklungshilfe ungeachtet der großen Herausforderungen weiter ausbauen“ wollten.

Der am Mittwoch von der UN veröffentlichte Entwicklungsbericht für Afrika erwartet für das heurige Jahr ein Wirtschaftswachstum von zwei Prozent. Dieses sei aber nicht mit westlichen Ländern vergleichbar, weil das Bevölkerungswachstum deutlich größer sei. Um den damit verbundenen Bedarf an Arbeitsplätzen zu befriedigen, sei ein Wachstum von zumindest fünf Prozent nötig. „Wenn wir es nicht schaffen, die wirtschaftliche Rezession umzukehren, könnte es zu einer sozialen Rezession kommen, die weit schwerer einzudämmen sein wird“, sagte die Außenministerin von Bangladesch, Dipu Moni.

Mehr Geld für Afrika gefordert

Genaue Zahlen wurden sowohl im Begleittext wie auch in den Reden der Diplomaten nicht genannt. Ban Ki-moon appellierte an die westliche Welt, ihre Hilfszahlungen gerade in Krisenzeiten nicht auszusetzen. „Die jährliche Hilfe, die derzeit nach Afrika fließt, ist zumindest um 20 Mrd. Dollar zu gering. Trotzdem hat die Welt innerhalb weniger Wochen 18 Mrd. Dollar mobilisiert, um den Finanzsektor zu unterstützen.“ Kritiker halten dem entgegen, dass eine Ankurbelung der westlichen Volkswirtschaften für die Entwicklungsländer wegen deren Exportabhängigkeit unumgänglich sei.

AUF EINEN BLICK

UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon
musste vor einem lückenhaft gefüllten Auditorium den ersten UN-Finanzgipfel eröffnen. Vor allem westliche Länder boykottierten den Gipfel, da sie sich an den „unrealistischen Forderungen“ der südlichen Länder stießen. Für Ärger in den Industrieländern sorgten auch mehrere
antikapitalistische Reden. [Reuters]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2009)

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