Die chinesische Börse ist auf den niedrigsten Stand seit mehr als einem Jahr gefallen. Die Aussicht auf Besserung hält sich in Grenzen.
Shanghai. Der chinesische Aktienmarkt ist am Freitag auf den tiefsten Stand seit mehr als einem Jahr gefallen. Der für Festlandchina wichtige Shanghai Composite Index gab zum Wochenschluss um 3,5 Prozent nach. Damit notierte der Index um 21 Prozent tiefer als noch im Dezember des Vorjahres. Es handelt sich damit um den zweiten derart hohen Rückgang in den vergangenen sieben Monaten.
Zwar investieren vor allem Einheimische, also Chinesen, an der fernöstlichen Börse. Doch offenbar sinkt ihr Vertrauen in die chinesische Regierung laufend. Der Kursverlust zu Wochenschluss dürfte einem Bericht geschuldet sein, wonach Banken in Shanghai damit aufgehört haben dürften, die Aktien von kleineren börsenotierten Gesellschaften als Sicherheit für Kredite zu akzeptieren.
Der Ausverkauf an der Börse ist freilich ein Rückschlag für die Bemühungen der chinesischen Regierung, den Markt vor dem Zusammenbruch zu retten. Zum Jahreswechsel waren die Aktienmärkte aus Sorge vor einer Schwäche der chinesischen Wirtschaft und deren Auswirkungen auf die globale Konjunktur kollabiert. In Folge dessen war es zu massiven staatlichen Interventionen an den Devisen-und Aktienmärkten gekommen. „Die Aktien haben den Desastermodus eingelegt, und sie befinden sich nach wie vor in diesem Muster“, sagt Wu Kan, von Jk Life Insurance. „Der Markt hat kein Vertrauen“, sagt Kan weiter. Und das ist das Schlimmste, was ihm passieren kann.
Staatsfirmen verschuldet
Doch die Entwicklung der Wirtschaftsleistung ist nur ein Problem. Ein weiteres: Die börsenotierten Unternehmen des Landes sind zum Teil hoch verschuldet und befinden sich gleichzeitig im Besitz des Staates. Dieser hat aber kein Interesse daran, seine Firmen fallen zu lassen und stützt sie folglich weiter – und das um jeden Preis. Das geht aus einer Auswertung der deutschen Commerzbank hervor, die sich die Bilanzen von 2500 börsenotierten chinesischen Firmen angesehen hat.
Die Sorge der Experten ist, dass die Unternehmen künstlich am Leben gehalten werden und damit den gesunden Firmen die Ressourcen entziehen. Das wiederum schwäche die gesamte Volkswirtschaft.
Zwar sei ein Anstieg der Unternehmensverschuldung in einer stark wachsenden Volkswirtschaft (was China im Vergleich zu anderen nach wie vor ist) normal. Doch sei der Zuwachs der Verbindlichkeiten deutlich schneller gewesen, als bei anderen Schwellenländern.
Besonders im Immobilien- und Bausektor habe sich das Verhältnis der Netto-Schulden zu den Unternehmensgewinnen deutlich erhöht. Das birgt die Gefahr, dass die Firmen ihre Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen können. Die Investitionen aber steigen weiter, was die Überkapazitäten nur noch weiter anschiebt.
Die Commerzbank schätzt, dass die Schulden der Staatsfirmen 130 Prozent der chinesischen Wirtschaftsleistung betragen und somit höher als die Währungsreserven des Landes sind. Keine guten Aussichten. (Bloomberg/nst)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2016)