Aamodt: "Denkart, Physis, Technik - Svindal ist ein Phänomen"

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Einst sorgte Kjetil André Aamodt gemeinsam mit Lasse Kjus im Weltcup für Furore, die aktuelle norwegische Erfolgsserie genießt er als Zuschauer. Für den 44-Jährigen kommt der Höhenflug nicht überraschend und ist leicht erklärt.

Wien. Im Langlauf und Biathlon ist Norwegen seit jeher eine Großmacht, spätestens seit diesem Winter beherrschen die Skandinavier nun auch den Ski-Weltcup. Zwölf von 19 Saisonrennen (inklusive Parallel-Riesentorlauf) haben Aksel Lund Svindal, Kjetil Jansrud und Henrik Kristoffersen gewonnen, mit dem Wengen-Triple am vergangenen Wochenende untermauerten die „Super-Elche“ ihre Vormachtstellung und schrieben Geschichte: Noch vor der Saisonhalbzeit haben sie bereits den Landesrekord von elf Siegen aus der Saison 1998/99 übertroffen.

Damals war Kjetil André Aamodt einer der Protagonisten, gemeinsam mit Lasse Kjus und Finn Christian Jagge sorgte er für Furore. Der Höhenflug des Nachfolger-Trios kommt für Aamodt keineswegs überraschend. „Wir hatten schon letzte Saison zehn Siege – ohne Svindal“, erklärt Aamodt in nach wie vor sehr gutem Deutsch der „Presse“. Vor bald zehn Jahren hat der 44-Jährige sein letztes Rennen bestritten, die aktuelle Erfolgswelle genießt er als Zuschauer. „Gerade ist es wunderbar, Norweger zu sein. Eine Couch, ein heißer Kakao und norwegische Siege.“

Das Phänomen Svindal

Sechs Erfolge aus acht Speed-Rennen hat allein Svindal in seiner Comeback-Saison nach dem Achillessehnenriss schon gesammelt, Aamodt kennt den 33-Jährigen wie Jansrud noch aus aktiven Zeiten. „Aksel ist ein Phänomen. Seine Denkart, Physis und Technik sind großartig, und er ist noch dazu ein wunderbarer Typ“, schwärmt der erfolgreichste Skifahrer bei Olympischen Spielen, der inzwischen auch als TV-Experte für das norwegische Fernsehen arbeitet. Dass Svindal wie schon 2008/09 nach einer schweren Verletzung noch stärker zurückkommt, ist für Aamodt leicht erklärt: „Er ist unglaublich professionell und immer zu 100 Prozent bei der Sache. Er hat einfach diese Siegermentalität und trainiert mehr und härter als die anderen.“

Selbst einer von nur fünf Fahrern, die in allen fünf Disziplinen gewonnen haben, ist Aamodt allerdings nicht nur von der eindrucksvollen Physis des Kraftpakets (98 kg bei 189 cm) angetan, sondern auch von dessen skifahrerischem Können. „Viele vergessen, dass er früher auch Slalom gefahren ist und eine sehr gute Technik hat. Rein technisch gesehen ist Aksel mit Sicherheit der beste Abfahrer im Weltcup.“ Ähnlich euphorisch spricht Aamodt über Slalom-Dominator Kristoffersen. „Ein Wahnsinn. Henrik ist wie Alberto Tomba vor 20 Jahren. Er ist nicht nur auf den Ski unglaublich stark, sondern auch im Kopf, so konstant wie er zwei gute Läufe runterbringt“, lobt er den 21-Jährigen.

Als einen wesentlichen Erfolgsfaktor macht Aamodt die familiäre Atmosphäre im norwegischen Team aus. „Dazu braucht es Siegertypen, die ihre Bescheidenheit aber nicht verlieren“, betont der 44-Jährige. So wie einst er selbst und Kjus fast untrennbar waren – auch nach Karriereende gehen sie gemeinsame Wege, moderieren etwa eine TV-Sendung vom Typ „Schlag den Raab“, teilen sich heute Svindal und Jansrud nicht nur das Hotelzimmer, sondern sogar Material und Serviceteam. „Die Gruppendynamik und die Stimmung sind wirklich gut“, sagt der zweifache Familienvater. „Vielleicht ist das im ÖSV nicht immer der Fall, wenn man sich den Streit um den Manager von Anna Fenninger anschaut.“

Bittere Hundertstel-Erinnerung

Auch in Kitzbühel traut Aamodt seinen Landsleuten Großes zu, sogar das nächste Triple. „Wir brauchen nicht einmal Glück. Wenn Aksel und Henrik normal fahren, haben die anderen keine Chance“, ist der Gesamtweltcupsieger von 1994 überzeugt, dass Svindal heuer der lang ersehnte erste Abfahrtssieg auf der Streif gelingt. Das Duell mit Marcel Hirscher um die große Kristallkugel hält Aamodt weiter für völlig offen. „Marcel ist ein ausgezeichneter Skifahrer und hat die nötige Erfahrung. Umsonst hat er nicht vier Jahre in Folge gewonnen.“

Die Faszination der Hahnenkammrennen ist Aamodt noch in bester Erinnerung, viermal hat er die klassische Kombination gewonnen. „Ein harter Kampf.“ Im Abfahrtsklassiker fuhr er dreimal auf das Podest, 2003 fehlten nur acht Hundertstel auf Sieger Didier Cuche. „Das verfolgt mich immer noch. Aber Leute wie Cuche oder Stefan Eberharter waren einfach noch den Tick wahnsinniger.“ Aamodt selbst tourt zurzeit als Botschafter der Olympischen Jugendspiele durch Norwegen, das Treiben in der Gamsstadt beobachtet er nur aus der Ferne – und ist sehr froh darüber. „Viel zu viele Menschen und zu viel Party.“

AUF EINEN BLICK

Kjetil André Aamodt, 44, ist mit acht Medaillen (viermal Gold) der erfolgreichste Skifahrer der Olympia-Geschichte. Der Norweger feierte in allen fünf Disziplinen insgesamt 21 Weltcupsiege und gewann einmal den Gesamtweltcup (1994). [ Reuters]

Im Kitzbühel-Training stürzte Max Franz und zog sich einen Kapseleinriss im linken Kniegelenk, einen Riss des vorderen Syndesmosebandes im linken Sprunggelenk und eine Absprengung am Mondbein zu.

1. Abfahrtstraining: 1. Theaux (FRA) 1:57,68 Min. 2. Reichelt (AUT) 0,21 Sek. 3. Svindal (NOR), Muzaton (FRA) je 0,29 Freitag: Super-G ab 11.45 Uhr, 16.45 Uhr: Kombi-Slalom. Samstag: Abfahrt 11.45 Uhr. Sonntag: Slalom 10.30/13.30 Uhr.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2016)

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