Warum der Osten nicht mehr lockt

Banken. Auch wegen der Turbulenzen in Italien muss UniCredit weiter Hoffnungen auf Osteuropa setzen. Aber ihre Analyse zeigt, wie sehr CEE für den Bankensektor an Attraktivität verloren hat.

Wien. Es ist alles eine Frage der Perspektive. Für die UniCredit bleibt Osteuropa ein gelobtes Land – verglichen mit den Problemen, mit denen sich die italienische Großbank auf dem Heimmarkt herumschlagen muss. „Der Anteil an notleidenden Krediten ist in unserer Ostdivision niedriger als im Konzernschnitt“, gestand Carlo Vivaldi, Vorstand dieser Division, bei einer Pressekonferenz am Dienstag. Weil in Italien eine Bombe tickt, hat die EZB am Montag ihre Kontrollore gen Süden geschickt. Zu sechs Instituten, darunter die UniCredit. An der Mailänder Börse hat die Bank-Austria-Mutter deshalb seit Silvester ein Fünftel des Werts verloren.

Wien-Jobs bleiben „großteils“

Immerhin: Für die Mitarbeiter des Osteuropa-Kompetenzzentrums in Wien hatte Vivaldi eher beruhigende Nachrichten. Obwohl das Geschäft gegen Jahresende organisatorisch von der Bank Austria in die Mailänder Zentrale wandert, „werden die Leute großteils weiter in Wien arbeiten“, um das Know-how zu bewahren. Vivaldi selbst verliert zwar in Kürze seinen Posten als Vizegeneraldirektor der Bank Austria, bleibt aber – zumindest vorerst – auf Konzernebene für Osteuropa verantwortlich.

Die UniCredit setzt also weiter auf CEE. Im Vorjahr konnte die Gruppe dort 1,2 Millionen neue Kunden gewinnen, bis 2018 sollen jährlich eine Million dazukommen. Damit wollen die Italiener beim Kreditgeschäft im Osten um 20 Mrd. auf 106 Mrd. Euro zulegen. Abgesehen von der Ukraine-Tochter seien keine Verkäufe geplant.

Andere ziehen sich stärker zurück. Wie sehr die Region an Attraktivität für den Sektor verloren hat, zeigt die präsentierte Analyse: Vor der Finanzkrise war das Bankgeschäft dort eine Goldgrube. Mit 2,1 Prozent Kapitalrendite vor Steuern war es über fünfmal so profitabel wie in Österreich, Deutschland und Italien. In den westlichen Märkten sind es heute wie damals magere 0,4 Prozent. In Osteuropa aber hat sich die Rentabilität auf ein Prozent mehr als halbiert. Aus dem Faktor fünf wurde ein Faktor zwei. Und das bei unveränderten Risken, denen Schwellenländer eben ausgesetzt sind. Russland leidet unter dem Ölpreisverfall, in der Ukraine schwelt ein blutiger Konflikt. In Polen und Ungarn höhlen die Regierungen den Rechtsstaat aus. Am Montag klagte Raiffeisen-International-Chef Karl Sevelda über die ganze Region: „Jedes Mal, wenn eine Wahl angekündigt wird, haben wir Angst“ – auch vor neuen Bankenabgaben oder Zwangskonvertierungen von Fremdwährungskrediten.

Freilich: Die Banken selbst haben seit den Zeiten des Übermuts einiges an Hausaufgaben gemacht. Die Kredite sind nun zur Gänze durch Einlagen gedeckt (das Verhältnis sank von 122 auf 101), die Institute müssen sich nicht mehr riskant über kurzfristige Kredite von anderen Banken finanzieren. Auch die Kapitalbasis wurde auf Druck der Aufseher gestärkt.

Aber die Scherben der Krise sind noch lang nicht aufgekehrt. Der Umstieg von Fremdwährungskrediten auf solche in Landeswährung dauert lang, wo ein Staat ihn nicht teuer erzwingt. In Kroatien und Serbien ist der Anteil der Devisenkredite mit 70 und 57 Prozent weiterhin hoch; echte Wechseldynamik gibt es nur in Rumänien.

Noch zäher läuft es bei den notleidenden Krediten: In der Ukraine (48 Prozent), Russland (19 Prozent) und Kroatien (17 Prozent) steigt ihr Anteil weiter. In den anderen Problemländern auf dem Balkan nimmt er nur in kleinen Schritten ab. Immer schon niedrig war das Risiko des Kreditausfalls in Tschechien, der Slowakei und Polen. Und diese vorbildlichen Ostländer schreiten ja auch beim Wirtschaftswachstum kräftig voran.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2016)

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