Handelsflächen: „Alle schauen in Richtung Innenstadt“

Die Nachfrage nach Geschäftsflächen ist ungebrochen hoch. Internationale Filialisten haben vor allem Wien im Fokus, bevorzugt werden Prime-Lagen und Shoppingcenter.

Noch vor nicht allzu langer Zeit wurde dem stationären Handel keine rosige Zukunft vorausgesagt. Die Konkurrenz des Online-Handels, so hieß es, werde sukzessive viele Handelsflächen obsolet machen. Diese Voraussagen haben sich nur bedingt erfüllt. Derzeit macht der Anteil des Onlinehandels erst rund neun Prozent der gesamten Einzelhandelsausgaben in Österreich aus, wobei die Wachstumsraten zuletzt auch noch stark gesunken sind. Und entgegen allen Erwartungen scheint es, als ob die digitale Vertriebsstruktur sogar zunehmend zum Trigger für die Etablierung neuer Shops würde. „Neben den klassischen Onlineshops stellen ,Omnichannel‘-Konzepte, die den stationären Handel mit Online-Vertriebskanälen verbinden, einen neuen Trend dar“, berichtet Sarah Sonnleitner, Expertin für Geschäftsflächen bei Otto Immobilien. Ähnliche Töne kommen von Walter Wölfler, Head of Retail Austria & CEE bei CBRE Österreich: „Die Angst vor Onlineshops scheint vorbei zu sein, seit die ersten erfolgreichen Omnichannel-Konzepte etabliert wurden. Inzwischen gibt es kaum noch einen namhaften Retailer, der nicht die digitale mit der realen Shoppingwelt geschickt verknüpft.“

Wien bleibt Expansionsziel

Ganz ohne Auswirkungen blieb der Onlineboom dennoch nicht: Die Verkaufsflächen jenseits von Fachmarkt- und Shoppingzentren sind seit 2013 österreichweit im Sinken begriffen, für heuer prognostiziert der Immobiliendienstleister EHL etwa ein Minus von fünf Prozent. EHL-Einzelhandelsspezialist Jörg Bitzer führt dies unter anderem auf Einzelhandelsinsolvenzen wie jüngst von Zielpunkt zurück, „wobei sich vor allem für schwächer frequentierte Nebenlagen kaum Nachmieter finden“. Getragen wird die Nachfrage nach Retailflächen in erster Linie von internationalen Filialisten. CBRE etwa zählte 2015 österreichweit 32 Neueintritte, darunter von Marken wie BikBok, Ecco, Silk & Cashmere, Zara Home, Falconeri oder Longchamp. Im Fokus der Interessenten steht dabei vor allem Wien, das laut EHL nach wie vor europaweit unter den Top fünf der Expansionsziele internationaler Retailer rangiert. Dort zeichnet sich allerdings derzeit eine Verknappung entsprechender Flächen ab. EHL rechnet für heuer lediglich mit einem Zuwachs von Einkaufs- und Fachmarktzentrumsflächen von rund 7000 Quadratmetern, die zum einen Teil in der Seestadt Aspern in Bau sind und zum anderen im Rahmen einer Erweiterung des Huma-Centers in Simmering dazukommen sollen. „Unklar ist noch, wann der Startschuss für die Bebauung der Komet-Gründe bei der U-Bahn-Station Meidling fallen wird“, erklärt Bitzer.

Goldenes U wird zum H

Gleichzeitig sind die internationalen Retailer bei der Wahl ihrer Standorte auch deutlich selektiver geworden. „In Wien schauen alle in Richtung Innenstadt, wo sich das Goldene U gerade in ein goldenes H transformiert und die Kärntner Straße zu einer Konsummeile mutiert“, sagt Wölfler. Dort würden mittlerweile auch schon Spitzenmieten jenseits der 300 Euro pro Quadratmeter und Monat erzielt, berichtet der Retail-Experte, und Alexander Fenzl, Leiter des gewerblichen Maklerteams von Otto Immobilien, weiß sogar von „Liebhaberpreisen“ von mittlerweile mehr als 400 Euro, die von Luxus-Labels in absoluten Prime-Lagen bezahlt werden.

In der Rangliste der Städte, in denen die höchsten Mieten für Einzelhandelsflächen bezahlt werden, lag Wien 2015 damit wieder auf Platz neun, nach Rang elf im Jahr 2014, rechnet Bitzer vor. In City-Nebenlagen hingegen liegen die Durchschnittspreise derzeit lediglich zwischen 15 und 200 Euro pro Quadratmeter, in EKZ-Bestlagen bei 110 Euro pro Quadratmeter und Monat. „Das ist oberes Mittelfeld, in etwa auf dem Niveau von Berlin“, weiß Alexander Bosak, Leiter Immobilien Research bei Otto Immobilien.

Pop-up-Shops im Kommen

Eine zunehmende Bedeutung bei der Neuvermietung spielen auch Pop-up-Stores, berichtet Bitzer. „Die Idee, durch zeitliche Verknappung den Eventcharakter des Einkaufens zu verstärken und sogar einen regelrechten kurzfristigen Hype auszulösen, funktioniert immer besser“, so der Experte. Natürlich seien Pop-up-Stores für Vermieter eine organisatorische Herausforderung, „aber sie versprechen über die damit erzeugbare zusätzliche Frequenz ein Ertragspotenzial, das man heute weder in Einkaufsstraßen noch in Einkaufszentren ungenutzt lassen darf.“

Gleichzeitig beobachten die Experten auch andere interessante Initiativen. Otto Immobilien etwa verweist auf die Wohnmeile 1010, ein neues Cluster für Interior-Design, das sich vom Schottenring über den Rudolfplatz bis hin zum Morzinplatz erstreckt.

Info

Das Flächenwachstum bei Einkaufszentren hat sich zuletzt stark eingebremst. Vom zweiten Halbjahr 2014 bis Ende 2015 kamen im Großraum Wien lediglich rund 50.000 m22 zusätzliche Flächen auf den Markt, unter anderem durch die Erweiterung des Auhof-Center-Bauteils III, die Einkaufsmall Citygate und die ÖBB BahnhofCity.

Für heuer sind überhaupt nur 7000 m22 projektiert: Geplant sind die Erweiterung des Huma-Centers in Simmering sowie neue Flächen in der Seestadt Aspern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.01.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Österreich

Über 30 internationale Händler zieht es heuer nach Österreich

Österreich gehört in Europa zu den Top-Ten-Expansionszielen für internationale Einzelhändler. Auch 2016 stehen wieder viele Labels vor der Tür - vor allem Modeketten.
Ladendiebstahl
Österreich

Handel verliert 700 Millionen Euro durch Warenschwund

Für das Manko im österreichischen Handel sind zu 70 Prozent Ladendiebe verantwortlich. Die Händler investieren jährlich 870 Mio. Euro im Kampf gegen den Schwund.
Österreich

Über 30 internationale Händler zieht es heuer nach Österreich

Österreich gehört in Europa zu den Top-Ten-Expansionszielen für internationale Einzelhändler. Auch 2016 stehen wieder viele Labels vor der Tür - vor allem Modeketten.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.