Twitter-Chef verjagt seine Manager

Twitter-Chef Jack Dorsey.
Twitter-Chef Jack Dorsey.(c) Bloomberg (Yana Paskova)
  • Drucken

Die Nutzerzahlen stagnieren, der Börsenwert bricht ein. Nun greift Twitter-Gründer Jack Dorsey zu brachialen Maßnahmen: Im Führungsteam bleibt kaum ein Stein auf dem anderen.

Wien/San Francisco. Nachrichten auf Twitter sind kurz und bündig. Aber das heißt nicht, dass sie immer die ungeschminkte Wahrheit verkünden. Ziemlich geschönt ist etwa, was Jack Dorsey, der Gründer des Kurznachrichtendienstes, über vier Mitglieder seines zehnköpfigen Führungsteams zwitschert: „Sie nehmen eine wohlverdiente Auszeit.“ Die vier kommen nämlich nicht wieder. Auch dass sie „auf eigenen Wunsch“ so abrupt das Unternehmen verlassen, ist laut gut informierten US-Medien falsch. Zumindest Produktchef Kevin Weil und der oberste Software-Entwickler, Alex Roetter, wurden wohl gefeuert. Medien-Direktorin Katie Stanton ging schon eher freiwillig. Aber aus ihrem Abschieds-Tweet klingt nicht nur Dankbarkeit durch: Ihre Zeit bei Twitter war „das Abenteuer meines Lebens“.

Abenteuerlich geht es bei Twitter schon länger zu. Die Nutzerzahlen stagnieren bei 300 Millionen. Das soziale Netzwerk verliert gefährlich Terrain an den weit größeren Konkurrenten Facebook (1,5 Milliarden Nutzer), der sich zudem noch dynamischere Dienste einverleibt – neben WhatsApp auch den Fotodienst Instagram, der Twitter im Vorjahr klar überflügelte.

Aktie verliert weiter

Die Anleger sehen offenbar kein Potenzial mehr: Der Kurs der Twitter-Aktie ist in den letzten zwölf Monaten um 55 Prozent eingebrochen. Am Montag gab sie gleich nach Öffnung der US-Börsen um weitere sechs Prozent nach.

In der Not übernahm Gründer Dorsey im Vorjahr wieder das Ruder. Schon im Sommer knurrte der 39-Jährige mit dem Hipsterbart, die trägen Zuwächse seien „inakzeptabel“. Im Oktober folgten Taten: 336 Mitarbeiter, acht Prozent der Belegschaft, mussten gehen. Auch in höheren Positionen begann das Köpferollen. Dass nun gleich vier Topmanager rausfliegen, könnte aktuelle Anlässe haben: In der Vorwoche erreichte der Börsenwert einen neuen Tiefststand. Zudem gab es einen über einstündigen Ausfall, der unangenehme Erinnerungen an die chaotische Startphase nach der Gründung 2006 weckte.

Der Umbau geht nun erst richtig los. Auch in den Verwaltungsrat soll frischer Wind durch Mitglieder von außen kommen. Das Gremium gilt als betriebsblind, weil dort Firmeninsider dominieren. Am 10. Februar muss Dorsey Quartalszahlen präsentieren und den Anlegern eine glaubhafte Story über die erhoffte Zukunft vermitteln.

Bis jetzt hat er nur eine kühne, leicht realitätsfern wirkende Vision: „Twitter wird die erste Sache werden, die Menschen nutzen, wenn sie Ideen und Kommentare teilen oder einfach wissen wollen, was passiert.“ Genau dafür nutzt das breite Publikum längst Facebook. Twitter hingegen hat seine Zielgruppe ausgeschöpft: Politiker, Medienleute und andere Meinungsbildner, denen die Fans an den Lippen, also an den Tweets hängen. Um sich für jedermann zu öffnen, soll sich der Dienst künftig leichter bedienen lassen. Die spektakulärste Änderung, die Dorsey plant, ist das Ende der 140-Zeichen-Schranke pro Nachricht. Künftig sollen es bis zu 10.000 sein.

Schwung liegt bei Facebook

Schon umgesetzte Änderungen brachten wenig. Auch die Funktion „Moments“, die Tweets zu einem bestimmten Thema sammelt, hat die Segel am Markt nicht gebläht. Mit jeder Änderung macht sich der Dienst Facebook-ähnlicher und damit austauschbarer. Der Schwung bleibt beim übermächtigen Rivalen, der erfolgreiche Aspekte von Twitter kopiert – wie soeben mit „Sports Stadium“, bei dem Facebook-Nutzer Sportereignisse in Echtzeit verfolgen können. (gau)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Twitter logo at its corporate headquarters  in San Francisco
International

Twitter baut Chefetage um: Vier Top-Manager gehen

Unter anderem verlassen der Produktchef und ein Top-Manager aus der Software-Entwicklung nach der Rückkehr von Mitgründer Dorsey den Kurznachrichtendienst.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.