Renaturierung in Liesing: Der Potemkinsche Bach

(C) Langenbach
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Eine Renaturierung in Liesing zeigt, was ein wohlgemeintes Projekt anrichten kann.

Wien. Mitte Jänner lag gnädig unter Schnee, was eben fertig geworden war: die sogenannte Renaturierung des Gütenbachs. Er ist einer der letzten naturbelassenen Bäche Wiens, er mündet in Liesing in die Liesing. Kurz vorher quert er die Breitenfurter Straße, dort hat er sich fünf, sechs Meter tief eingegraben. Weiter oben, bis zum Lainzer Tierpark, hat er das Tal für sich, es ist ein Idyll und eine Oase der Ruhe.

Anfang Juni zitterte das Tal unter dem Lärm von Motorsägen, dann kamen Baumaschinen. Die Sägen räumten, gleich oberhalb der Breitenfurter Straße auf etwa 150 Metern Länge das linke Ufer frei von Bäumen, die dort sechzig, achtzig Jahre in den Himmel gewachsen waren, die Maschinen rückten dem Fluss bzw. seinen Ufern, Böschungen zu Leibe. Die Anrainer rieben sich die Augen und Ohren, dann konnten sie einer Bautafel entnehmen, worum es geht: eben um Renaturierung. Begleitet wurde der Text von Fotos, einem vom renaturierten Bach, einem von der Umweltstadträtin.

Jenes vom Bach war eine arg idyllisierte Montage, das der Umweltstadträtin lässt sich nicht beurteilen, sie zeigte sich spröde gegenüber Einladungen zur Begehung, ließ nur ihre Pressereferentin ausrichten, hier entstehe „ein neuer attraktiver Naherholungsraum“, und: „Die Anrainerinnen und Anrainer wurden übrigens laufend über die Maßnahmen informiert.“

Na ja. Vorab informiert wurde nicht und niemand, geschweige denn bürgerbeteiligt. Erst eine Woche nach Schlägerung und Baubeginn, als der Unmut der Anrainer sehr vernehmlich wurde, lag ein Zettel im Briefkasten, auf dem stand, was schon auf der Tafel stand: Alles werde schön und gut. Das beruhigte nicht, deshalb folgte ein Gespräch mit den Anrainern.

„Alle sehen nur die Bäume“

Führen musste das statt der Spitze der Politik die der Verwaltung, Gerald Loew, Chef der MA 45, Wiener Gewässer, er musste allein auslöffeln, was er miteingebrockt hatte. Er kam später auch zur Begehung mit der „Presse“: Er sei vom Zorn der Bürger überrascht gewesen, auch davon, dass „alle nur die Bäume sehen und niemand die Renaturierung“.

Diese gibt es durchaus, sie zeigt sich bei der Begehung: Dort, wo der Gütenbach in die Liesing mündet, war früher stark verbaut, nun ist es „sohlgleich“, Wassergetier kann den Gütenbach hinaufwandern.

(C) DiePresse

Menschen können das auch, und darin liegt das Problem der Baumaßnahme: Es wird mit jedem Schritt deutlicher, den man von der Mündung des Bachs zur Brücke hinaufgeht, unter der er die Breitenfurter Straße quert. Die ganze Zeit kann man auf einem breiten Weg schreiten, der für Spaziergänger und Radfahrer angelegt wurde. Seinetwegen mussten die Bäume weichen, seinetwegen wurde es eng für den Bach: Er wurde in eine Betonwanne eingezwängt. Diese sieht man nun nicht mehr, es wurden Steine daraufgeschüttet, aber beim Stichwort „Potemkinscher Bach“ zuckt Loew zusammen, es sei eine „Renaturierung aus zweiter Hand“.

Diese Renaturierung hat allerdings eine Spur hinterlassen, die sich nicht behübschen lässt: Der Bach wird vom Weg durch eine etwa einen Meter hohe Mauer abgegrenzt. „Scheußlich“ stimmt Loew dem Journalisten diesmal zu. Und ihn, Loew, bzw. seine MA 45 wird das Monster noch viel Geld kosten: Selbst kleine Hochwässer – „einjährliche“, also solche, die im statistischen Schnitt jedes Jahr einmal kommen – werden über die Mauer schwappen, mit allem, was sie mitführen, der Weg muss dann gereinigt werden.

Der Weg, der Weg, wozu ist er da? Wurde er in Schilda ersonnen? Es gibt einen Weg, parallel zum neuen, oben auf Straßenhöhe, nicht am Bach. Zur Breitenfurter Straße hin ist er versperrt, mit einem Gitter, man hätte es nur öffnen müssen – und mit einer Ampel für sicheres Geleit sorgen können.

„Nicht noch einmal“

Nun ist das Kind in den Brunnen gefallen, alle sind frustriert: die Anrainer – sie haben mit den Bäumen Lärm- und Lichtschutz verloren – und auch Loew. Ja, er habe „Fehler gemacht“, es aber nur gut gemeint: „Das Ziel war, kleine Dinge für die Natur zu tun.“ Nun hofft er, dass bald Gras wächst bzw. dass neu gesetzte Bäumchen es tun, aber „noch einmal können wir so etwas im städtischen Gebiet nicht machen“.

Ach so, ja, gratis war der Spaß nicht: Gekostet hat er circa 860.000 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2016)

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