Broad: Museum für die Popstars der Kunst

Jeff Koons vor seinem „Balloon Dog“ (Archivbild).
Jeff Koons vor seinem „Balloon Dog“ (Archivbild).(c) REUTERS (LUCAS JACKSON)
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Vor dem neuen Broad Museum in Downtown Los Angeles stehen täglich die Schlangen. Bei freiem Eintritt kann man hier Werke einiger der bekanntesten Künstler des 20. Jahrhunderts sehen. Von Jeff Koons bis Andy Warhol.

Wer eine weniger glitzernde Seite von Los Angeles kennenlernen will, sollte frühmorgens den Broadway in Downtown besuchen. Dort zeigt die Stadt ihr tristes, alles andere als glamouröses Gesicht. Obdachlose liegen in Häusereingängen zwischen den alten, heruntergekommenen Kinopalästen, sie lungern oder stehen auf den breiten Gehsteigen, manche reden mit sich selbst oder tanzen zu imaginärer Musik. Es gibt kaum Geschäfte, die geöffnet sind, oder einladende Cafés.

Doch Los Angeles verändert sich wie so oft auch hier innerhalb weniger Straßenzüge. Nur einen Block vom Broadway entfernt, sieht die Metropole ganz anders aus. Aufgeräumt und beinah steril, fast menschenleer, die Sonne spiegelt sich in den glatten Fassaden der Hochhäuser. Mitten zwischen diesen Häusern und direkt neben der 2003 von Frank Gehry erbauten Walt Disney Concert Hall ist vor wenigen Monaten eine neue Attraktion eingezogen: das Broad Museum (gesprochen: „Broud“). Der Mäzen Eli Broad und seine Frau Edythe haben der Stadt, der sie schon so viel Gutes getan haben (u. a. ein Theater in Santa Monica, Spenden für die Los Angeles Opera), ein weiteres, ihr bisher größtes Geschenk gemacht. Das insgesamt 140 Millionen teure Museum wurde vom New Yorker Designstudio Diller, Scofidio und Renfro entworfen, es beherbergt nun die über Jahrzehnte gewachsene private Sammlung moderner und zeitgenössischer Kunst des Ehepaars Broad. Der „New Yorker“ nannte Eli Broad vor einigen Jahren den Lorenzo di Medici von Los Angeles.

Ein riesiger, sandsteinfarbener Kubus mit bienenwabenartigen Öffnungen erstreckt sich nun also an einer der höchsten Stellen der South Grand Avenue. Das einzige auffällige Merkmal dieses sonst recht schmucklosen Gebäudes ist ein gläsernes Auge an der Hauptfassade. Auch im Inneren des Gebäudes herrscht Minimalismus, es gibt keine Kassen oder Garderoben und selbst der Shop nimmt nicht mehr Raum ein als ein Eck in der kurvigen, erdfarbenen Eingangshalle. Eine Kassa braucht es auch nicht, der Eintritt in das Museum ist frei. Vielleicht auch deshalb reißen die Besucherschlangen seit der Eröffnung im vergangenen September nicht ab. Es ist ratsam, sich im Internet Tickets für einen bestimmten Tag und eine bestimmte Uhrzeit zu reservieren. Doch das Haus ist derzeit bis Ende April ausgebucht.

Wer die Schlange überwunden hat, begreift schnell, warum das Broad so viele Besucher anzieht. Alles, was hier so dicht gedrängt auf zwei Stockwerken hängt, steht und liegt, hat einen glamourösen Namen. Gleich mehrere Werke von Jeff Koons, wie seine glänzenden „Balloon Dogs“ und „Tulips“ oder seine Michael-Jackson-Plastik sind hier ausgestellt, ebenso Bilder von Keith Haring, Jean-Michel Basquiat, Andy Warhol und Robert Rauschenberg. Ein besonderer Publikumsmagnet ist eine der Installationen des Chicagoer Künstlers Robert Therrien. „Under the Table“ heißt sie, weil der Besucher unter einem überdimensionalen Esstisch mit ebenso überdimensionalen Stühlen hindurchwandern kann und sich ein wenig an Alice im Wunderland erinnert fühlt. Fotografieren ist im Broad Museum erlaubt, ja sogar gewollt. Die vielen schwarz bekleideten Mitarbeiter, rümpfen also nicht die Nase, wenn die Besucher ihre Smartphones und Selfiesticks auspacken.

Es gibt eine eigene Abteilung für Roy Lichtensteins Werke, Bilder von Joseph Beuys hängen neben großen Malereien von Anselm Kiefer. Auch Damien Hirst hat eine eigene Ecke bekommen, ebenso Cy Twombly. Im Untergeschoß zieren mehrere von Takashi Murakamis bunt-verspielten, leinwandgroßen Bildern einen Raum, in der Mitte werden dem Besucher einige seiner bunten Plastiken wie auf einem Tablett serviert. Ein weiteres Mal anstellen muss man sich, um die Installation „Infinity Mirrored Room“ der japanischen Künstlerin Yayoi Kusama zu sehen. Nur zwei Besucher werden gemeinsam für je 45 Sekunden in den Raum mit seinen hunderten LED-Lampen hineingelassen. Das Smartphone darf aber auch hier mit.

Nur 250 Werke zur selben Zeit

Die Sammlung Broad umfasst 2000 Kunstwerke von gut 200 Künstlern. Nur jeweils 250 Werke werden auf einmal auf der 5000m2 großen Ausstellungsfläche gezeigt, der Rest ruht in den Lagerräumen des Hauses, auf die man beim Abstieg vom ersten Stock in das Untergeschoß durch große Fenster einen Blick werfen kann. Das wirklich Besondere an diesem Haus ist seine Architektur: Durch die vielen kleinen Öffnungen in der Fassade soll jederzeit natürliches Licht hereinkommen. Dieses Museum will Kunst zum Anfassen oder eben Fotografieren präsentieren, ohne belehrenden Fingerzeig oder großen intellektuellen Anspruch, und dabei eine beeindruckende Privatsammlung ins architektonisch perfekt inszenierte Licht rücken.

Architekten aus New York

140 Millionen Dollar hat der Bau des Broad Museum gekostet. Das New Yorker Architektenbüro Diller, Scofidio und Renfro hat den steinernen Kubus entworfen. Der Eintritt ist frei. Um langes Schlangestehen zu vermeiden, sollte man ein Ticket für eine bestimmte Zeit reservieren. Geöffnet: Di, Mi: 11–17Uhr, Do, Fr: 11–20 Uhr, Sa: 10–20 Uhr, So: 10–18 Uhr. Mo geschlossen. Info: www.thebroad.org

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2016)

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