Die Genfer Alternative zur Art Basel

Kunstmarkt Art geneve
Kunstmarkt Art geneveJulien Gremaud
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Die Art Genève, die jüngste Kunstmesse der Schweiz, bietet Zeitgenössisches wie auch Klassiker und angewandte Kunst. Das Konzept verschreckte erst viele Galerien, heute schätzen sie die Veranstaltung.

Flughafen Genf. Aus der Ankunftshalle hinaus, links der Straße folgen und knappe zehn Minuten Fußweg später steht man schon vor dem Eingang der Art Genève. Es ist die jüngste Kunstmesse der Schweiz, gegründet vor fünf Jahren und angelegt als Salon d'Art. Auf dieses Format legt der Messedirektor, Thomas Hug, ein ehemaliger Musiker mit Erfahrungen als Galerist, großen Wert. Denn es bedeutet eine strenge Begrenzung der Teilnehmerzahl, heuer waren es 80 Galerien aus 14 Ländern. Und vor allem bedeutet es eine Vermischung von Zeitgenössischem mit Klassikern und mit angewandter Kunst.

Anfangs verschreckte dieses Konzept viele Galerien, auch die Qualität konnte nicht überzeugen. Wolfgang Häusler, der heuer zum dritten Mal teilnimmt, ist dennoch begeistert: „Die Art Genève wird mit jedem Jahr besser“, sagt er. Und die Lage sei perfekt: „Die Sammler kommen aus der Schweiz, aus Frankreich, Italien, Österreich und Deutschland.“ Auch Karin Handlbauer, die vergangenes Jahr ihre Wiener Galerie Mezzanin aufgab und nach Genf übersiedelte, beobachtet die Messe seit ihrer Gründung: „Sie hat ein unglaubliches Potenzial. Sie könnte sich zu einer Alternative zur Art Basel entwickeln.“


Sammler mögen Genf. Diese Hoffnung teilen viele teilnehmende Galeristen, von denen heuer auch erstmals vier aus Österreich stammen. „Es haben sich viele aus Österreich angemeldet, wir konnten aber nur wenige nehmen“, sagt Handlbauer, die seit diesem Jahr in der Jury sitzt. Die überschaubare Größe der Messe, vor allem aber der Standort sei ein großer Anreiz. „Mit den Bergen und dem See ist Genf wunderschön, hier kommen Sammler gern für zwei Tage her“, betont Handlbauer, „und man hat nicht den wahnsinnigen Rummel wie in Basel.“

Genf ist der zweitgrößte Finanzplatz der Schweiz, die Stadt mit den meisten Privatbanken und einer „sehr guten Sammlerschaft“, wie es Peter Krobath zusammenfasst. Seine Galerie entschied sich für einen Solostand mit Werken von Julian Opie. Auch die Galerie von Elisabeth und Klaus Thoman setzt auf bekannte Namen und bietet etwa fünf Plakate (360.000 Euro), kombiniert mit vier rohen Stahlsesseln (390.000 Euro) von Franz West an. Sie hätten auf der Turiner Messe Artissima einige Genfer Sammler kennen gelernt und würden darum heuer erstmals teilnehmen, erzählt Klaus Thoman.

So hochwertig die mitgebrachten Werke der meisten Galerien sind, so sehr lässt sich daran aber auch eine große Unsicherheit ablesen. Welche Kunst ist hier gefragt – bekannte Namen wie John Armleder, der in Genf lebt? Werke von ihm brachten die Galerie Thoman und auch die Schweizer Galerie Andrea Caratsch mit. Oder jüngere Kunst wie die bizarren Bilder von Omar Ba, 1977 in Senegal geboren und in Genf lebend? Seine auf Karton gemalten Werke thematisieren die Beziehungen zwischen Afrika und Europa, vereinen fabelähnliche Wesen mit kleinteiligen Ornamenten und politischen Verweisen (Galerie Art Bärtschi & Cie, ab 18.500 SF).


Kleine Formate. Oder besser Werke, die inhaltlich mit der Region verbunden sind, wie bei Mezzanin die Perchten, die Ulla von Brandenburg als wunderbare Scherenschnitte auf alte Buchseiten aufklebt (ab 6200 Euro)? Oder die großen Goldmünzen von KAYA (Kerstin Brätsch/Debo Eilers) bei Meyer Kainer (18.000 Euro), von denen die Galerie auch zwei nach Österreich verkaufen konnte? Das kleine, geschundene Pferd von Adel Abdessemed am Stand der Christine König Galerie (80.000 Euro)? Es ist brutal mit Draht auf Gaddafis „Greenbook“ befestigt, in dem der Diktator seine Überzeugungen zur sozialen Ordnung darlegt – ein Angebot an wohlhabende Politiker, die ihr Geld in Genf parken? Auffallend an allen Ständen sind die Formate: Anders als auf der Art Basel dominieren nicht die beliebten Museumsformate, sondern kleinere Werke. So zeigt die Londoner Paragon Press neben kleinen Damien-Hirst-Drucken auch die eindrückliche „Bedtime Tales for Sleepless Nights“-Serie der Chapman-Brüder, Lithografien von Albtraumbildern aus dem gleichnamigen Kinderbuch der englischen Künstler (16 Motive, je 1400 Euro).
Die Art Genève ist nicht als Messe zum Füllen des Portfolios angelegt. Der Großteil kostet unter 100.000 Euro. Aber daneben gibt es auch Überraschungen wie die frühe Assemblage von Roy Lichtenstein von ca. 1955 bei Marc Domenech aus Barcelona: ein Wandobjekt aus bemalten Holz- und Stoffstücken (120.000 Dollar). Und immer wieder Klassiker – von Auguste Rodin, Salvador Dalí, Henri Matisse; ein Mobile von Alexander Calder (für 2,9 Millionen Euro bei Mayoral, London) –, die alle zahlreiche Anfragen bekamen.


Klassiker und Design. Auf die italienische Kundschaft zielen die Werke von Lucio Fontana, Paolo Scheggi und Mengen von Alighiero Boetti – kann der Künstler denn in seinem kurzen Leben von 1940 bis 1994 tatsächlich derartig viele Buchstabenbilder geschaffen haben, wie mittlerweile verkauft werden? Dazwischen irritieren die Schmuck- und Designgalerien, wo Antonella Villanova aus Florenz etwa eine elegante Halskette von Giampaolo Babetto anbietet – für stolze 62.500 Euro. Andere präsentieren Glas- und Keramikobjekte, die Pariser Designgalerie James betitelt ihren Stand mit Magnus Pettersens Betonsessel und Zanini de Zanines Holzfauteuils schlicht mit „Heavy“.

Ob sich die Mischung mit Design weiterhin als sinnvolles Konzept erweist, werden die nächsten Ausgaben der Art Genève zeigen. Noch ist diese Sektion arg isoliert. Aber den Charakter der Messe als neuen Hoffnungsträger stört das nicht – zumal für die meisten Galerien die Verkäufe stimmen.

Art Genève

Kunstmesse. Die 5. Art Genève fand vom 28. bis 31. 1. auf dem Palexpo-Gelände in Genf statt.

Aussteller. Die Anzahl der Teilnehmer ist strikt begrenzt.
Von den 80 Galerien kamen heuer vier
aus Österreich:
Galerie Christine König, Krobath,
Meyer Kainer, Thoman.

Ende April startet ein Ableger der Messe im Grimaldi-Forum in Monaco, die artmonte-carlo.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2016)

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