Weltmuseum Wien: Ein Museum gegen Xenophobie

(c) ARGE Ralph Appelbaum Associates/ Hoskins Architect
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Die Umbauphase für das Weltmuseum hat begonnen. 2017 wird es wieder eröffnet – mit 14 interaktiven Sälen, die vom Einfluss fremder Kulturen auf uns erzählen.

Alles wird ganz anders – Herbst 2017“, prangt auf einer Tafel vor dem Corps de Logis, dem äußersten Zipfel der Neuen Burg, wo seit 1928 das Wiener Weltmuseum, vormals Museum für Völkerkunde, untergebracht ist. Im Franz-Ferdinand-Saal im Mezzanin ist der Boden mit Plastik abgeklebt, an den Wänden hängen lose Kabel. Hierhin hat der KHM-Museumsverband, zu dem das Weltmuseum gehört, zu einem symbolischen Spatenstich geladen.

Symbolisch, denn gegraben wird hier nicht, aber umgebaut: Das Museum wird neu konzipiert und soll im Herbst 2017 wieder eröffnen. Zum ersten Mal seit zwölf Jahren werden dann alle Sammlungsbereiche wieder zu sehen sein – denn seit den Sanierungen im Jahr 2004 wurde das Haus nicht mehr zur Gänze eröffnet. „Das ist ein großartiger Moment“, sagt Direktor Steven Engelsman enthusiastisch. „Jetzt haben wir ganz zu, und in Kürze machen wir ganz auf.“

Dass die Neuausrichtung seines Museums in kleinerem Umfang als ursprünglich geplant stattfinden wird, damit scheint er sich abgefunden zu haben. Ende 2014 gab es bereits fertige Pläne für ein neues Weltmuseum, das Projekt hätte 27,5 Millionen Euro gekostet und im laufenden Betrieb etwa zwei Millionen pro Jahr zusätzlich. Daran stieß sich Kulturminister Josef Ostermayer: Das Weltmuseum sollte die Betriebskosten bei gleich bleibender Basisabgeltung (4,28 Millionen Euro) stemmen können.

Also mussten die Pläne überarbeitet werden: Gestrichen wurden u. a. die Dependance des Zoom-Kindermuseums, die im laufenden Betrieb am teuersten gewesen wäre, das Museumsrestaurant, der als Schaudepot gedachte Korridor des Staunens und die Neugestaltung der Bibliothek. „Natürlich sind wir eingeschränkt“, meint Engelsman. „Aber was übrig bleibt, sind 14 wunderschöne Säle. Wir schauen lieber auf das, was wir tun können, als auf das, was wir nicht tun können.“

Neuer Vorplatz für bessere Sichtbarkeit

Für die Gestaltung des neuen Weltmuseums ist eine Arbeitsgemeinschaft aus dem schottischen Architekturbüro Hoskins Architects und Ralph Appelbaum Associates, der weltweit größten Firma für Museumsgestaltung (sie entwarf etwa das Newseum in Washington, D.C.), verantwortlich. Ein wesentlicher Punkt des Architekturkonzeptes ist der Vorplatz, der mit einem Stelen-Kubus aufgewertet werden soll: Er soll auf die Museumsinhalte hinweisen, aber auch als Bühne (etwa für das ImPulsTanz-Festival), als Sommerkino oder als Gastgarten für das Museumscafé genutzt werden. Ziel ist es, die Sichtbarkeit des Weltmuseums, das hinter Zäunen und dem Äußeren Burgtor versteckt liegt, zu erhöhen, erklärt Architekt Thomas Bernatzky: „Ein Besucher, der den Heldenplatz betritt, hat zwar einen schönen Blick auf den Eingang der Nationalbibliothek, doch nur wenn er über die Schulter zurückschaut, sieht er auch den Vorplatz des Weltmuseums.“

Gleich hinter dem Eingangstor, im ersten Vestibül, soll der Ticketschalter platziert sein, doch auch ohne Eintrittskarte gelangt man künftig in die marmorne, lichtdurchflutete Säulenhalle. In deren Nischen werden ein Café und ein Museumsshop untergebracht; zudem gibt es einen Veranstaltungsbereich und eine 1400 Quadratmeter große Sonderausstellungsfläche, die vom ganzen KHM-Museumsverband bespielt werden können.

Was dem Weltmuseum für seine Dauerausstellung bleibt, sind 14 Säle im Mezzanin, die insgesamt 2500 Quadratmeter ausmachen. Jeder von ihnen soll einen eigenen Charakter bekommen, eine eigene Geschichte erzählen und einen Dialog anstoßen. Er wolle die wertvolle Sammlung des Museums nicht geografisch arrangieren, wie es in vielen ethnografischen Museen üblich ist, erklärt Ralph Appelbaum, der aus New York angereist ist. Denn aus den Weltgegenden, die früher als exotisch betrachtet wurden, stammen heute unsere Nachbarn. Vielmehr soll das Weltmuseum untersuchen, welchen Einfluss fremde Kulturen seit dem 19. Jahrhundert auf uns haben.

Von Franz Ferdinands Sammlerwahn

Im Saal „Der Orient vor der Haustür“, auf dessen Boden sich Projektionen arabischer Kalligrafien schlängeln, soll etwa von den Begegnungen zwischen Wien und dem Orient von der Biedermeier-Zeit bis zum Ende der Monarchie erzählt werden. In einem der Säle werden die Schattenseiten des Kolonialismus beleuchtet, in einem anderen werden vier Positionen zur Wiener Schule der Anthropologie in interaktiven, raumgreifenden Medieninstallationen präsentiert.

Schlichte, weiße Vitrinen sollen die Aufmerksamkeit auf die Objekte lenken; in einigen Räumen bleiben auch die historischen, graphitfarbenen Vitrinen erhalten. So etwa im Saal „Sammlerwahn“, der Platz für 500 Gegenstände bietet, die Franz Ferdinand auf seinen Weltreisen zusammengetragen hat.

Die Ausstellungsobjekte für die neue Dauerausstellung seien bereits ausgewählt, sagt Engelsman. Auch finanziell sei der Plan (16,7 Millionen Euro kostet der Umbau, sechs Millionen der jährliche Betrieb) „durchgerechnet bis ins letzte Detail – und es geht sich genau aus. Eigentlich sind wir schon fertig, es muss nur noch gebaut werden.“ Seine Vision: „Ein Ort, um Menschen und Kulturen kennenzulernen und Xenophobie zu vertreiben.“

WELTMUSEUM WIEN

Geschichte.1806 ließ Kaiser Franz I. in London 250 Objekte ersteigern, die der Seefahrer James Cook bei seinen Reisen gesammelt hatte. Sie wurden zum Grundstock der k. k. Ethnographischen Sammlung im kaiserlichen Hofnaturalienkabinett, die 1876 in die Anthropologisch-Ethnographische Abteilung des Naturhistorischen Museums überging. 1928 wurde ein eigenes Museum für Völkerkunde im Corps de Logis der Neuen Burg eröffnet. 2001 wurde es Teil des KHM-Museumsverbands. Seit 2012 ist der Niederländer Steven Engelsman Direktor des Museums, das von ihm in Weltmuseum Wien umbenannt und neu ausgerichtet wurde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2016)

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