Für Russlands Präsident Medwedjew ist die Verringerung der russischen Atomwaffen an ein Ende der US-Pläne für eine Raketenabwehr in Osteuropa geknüoft. Er erwartet von US-Präsident Obama Zurückhaltung.
Kurz vor dem Besuch von US-Präsident Barack Obama in Moskau hat Russlands Führung eine Verringerung der russischen Atomwaffen erneut an ein Ende der US-Pläne für eine Raketenabwehr geknüpft. Solange Washington an dem in Polen und Tschechien vorgesehenen System festhalte, würden die russischen Streitkräfte ihre volle atomare Schlagkraft aufrechterhalten, sagte Präsident Dmitrij Medwedjew in einem Interview für italienische Medien, dessen Inhalt am Sonntag in Moskau veröffentlicht wurde. "Für uns hängen beide Dinge zusammen", sagte Medwedjew im Vorfeld des amerikanisch-russischen Gipfeltreffens.
"Es ist notwendig, Zurückhaltung und Kompromissbereitschaft zu zeigen. Dann können wir uns auf ein neues START-Abkommen einigen und uns gleichzeitig darüber verständigen, wie wir mit der Raketenabwehr umgehen", erklärte der russische Präsident. Der 1991 noch zwischen der Sowjetunion und den USA geschlossene Vertrag über die Strategische Abrüstung (START-I) läuft im Dezember aus. Obama wird sich von Montag bis Mittwoch in Russland aufhalten. Die Führung in Moskau sieht in dem geplanten Raketenschutzschild, von dem Teile in Polen und Tschechien stationiert werden sollen, eine Bedrohung für Russland. Die USA wollen damit nach den Plänen der früheren Regierung von Ex-Präsident George W. Bush Raketenangriffe aus Ländern wie dem Iran oder Nordkorea abwehren.
Bush "sehr hartnäckig"
Medwedjew lobte die Dialogbereitschaft der neuen US-Administration bei der US-Raketenabwehr. Obamas Vorgänger Bush, der das System vorangetrieben hatte, sei in dieser Frage "sehr hartnäckig" gewesen. Auch Obama sagte in einem Gespräch mit russischen Medien, die bilateralen Beziehungen seien zuletzt "nicht so fest gewesen, wie sie sein sollten". Die USA wollten mit Russland "gleichberechtigt zusammenarbeiten", betonte er vor Antritt seiner Reise.
Iran-Sanktionen "kontraproduktiv"
Zusätzliche Sanktionen gegen den Iran hat Medwedjew als "kontraproduktiv" abgelehnt. Nach seinem Verständnis seien die USA bestrebt, "offenere und direktere Beziehungen" zu Teheran zu schaffen. Moskau unterstütze sie dabei. Weitere Strafmaßnahmen gegen den Iran könnten dabei nur schaden. Der russische Außenminister Sergej Lawrow hatte bereits Ende Juni beim Treffen der G-8-Außenminister in Triest erklärt, den Iran zu isolieren sei der "völlig falsche Ansatz". Medwedjew nimmt kommende Woche am G-8-Gipfel in Italien teil.
Obama hat Medwedjew in dessen Ziel einer freieren Gesellschaft unterstützt. "Ich stimme Präsident Medwedjew zu, wenn er sagt, dass Freiheit besser sei als das Fehlen von Freiheit", sagte Obama der oppositionellen Zeitung "Nowaja Gaseta". Das Interview sollte am Montag veröffentlicht werden. Er unterstütze Medwedjews Vorhaben, die Rechtsstaatlichkeit zu stärken und das Justizsystem zu sanieren, sagte der US-Präsident.
Medwedjew hat unterdessen eine Begnadigung des inhaftierten Ex-Ölmagnaten und Regierungskritikers Michail Chodorkowski zum jetzigen Zeitpunkt ausgeschlossen. Laut russischem Gesetz müsse sich der frühere Eigentümer des mittlerweile zerschlagenen Ölkonzerns Yukos zunächst des Betrugs schuldig bekennen, bevor der Präsident von seinem Amnestierecht Gebrauch machen dürfe, sagte Medwedjew in dem Interview für italienische Medien. Obama kritisierte den derzeit laufenden zweiten Prozess gegen Chodorkowski. Die neue Anklage gegen den Ex-Oligarchen sehe aus wie die umformulierte alte Anschuldigung, sagte Obama in seinem Gespräch mit "Nowaja Gaseta".
(Ag.)