Die Wettbewerbshüter gaben den Marktführern Rewe und Spar – unter Auflagen – überraschend grünes Licht für die Übernahme von 52 der 90 weitergeführten Filialen. Bis zu 1200 Mitarbeiter dürften weiterbeschäftigt werden.
Wien. Der letzte Vorhang im Fall Zielpunkt ist gefallen: Mittwochabend verkündete der Masseverwalter des insolventen Lebensmittelhändlers, Georg Freimüller, die Schließung der 77 übrig gebliebenen Supermärkte, die auch nach mehrmaliger Ausschreibung keine Nachmieter fanden. Sie sperrten gestern, Donnerstag, nicht mehr auf. 112 unverkäufliche Geschäfte hatten bereits Anfang Jänner dasselbe Schicksal erfahren.
Fast im gleichen Atemzug gab die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) am Donnerstag für 90 Standorte der ehemals 229 Filialen umfassenden Lebensmittelkette, die in den vergangenen Jahren vorrangig mit Umsatzverlusten und Eigentümerwechseln Schlagzeilen schrieb, ihren Segen: Neun Einzelhändler dürfen sie weiterführen.
Die Großen profitieren
Den Zuschlag erhielten überraschenderweise in der überwiegenden Zahl der Fälle die Platzhirsche Rewe und Spar, die sich bereits 64 Prozent des österreichischen Markts teilen. Jedoch müssen sie Zugeständnisse machen. BWB-Pressesprecher Philipp Maunz: „Sie können davon ausgehen, dass wir uns mit den Unternehmen auf Auflagen geeinigt haben, die eine Verschiebung der Marktanteile zugunsten der Stärkeren verhindern und gleichzeitig die Nahversorgung absichern.“
So dürfen die Rewe-Töchter Billa und Diskonter Penny – mit den Merkur- und Adeg-Märkten ist der Konzern gar nicht ins Rennen gegangen – 19 der 21 erhaltenen Zielpunkt-Märkte nur unter der Bedingung übernehmen, dass Rewe seine Fühler anderweitig einzieht. Mitbewerber Spar, der mit 27 Läden die meisten für sich beanspruchen konnte, muss in neun Fällen ebenfalls Auflagen einhalten. Die BWB schrieb den beiden Großen etwa die Schließung bestehender Märkte, den Betrieb durch einen selbstständigen Kaufmann zwecks größerer Unabhängigkeit vom Konzern oder die Verkleinerung ihrer Verkaufsflächen vor.
Wann die leer stehenden Zielpunkte wiedereröffnen, ist noch unklar. Die Standorte hätten unterschiedlichen Umbaubedarf, auch könnten Genehmigungen anfallen, sagte Rewe-Sprecherin Ines Schurin. Bei Spar ist man zudem nicht sicher, ob man alle übernimmt, für die man sich erfolgreich beworben hat. Denn anders als im Fall von Rewe sind die Verhandlungen mit den Vermietern noch im Gange.
Der Diskonter-Anteil im ehemaligen ostösterreichischen Einzugsgebiet der Zielpunkt-Kette sinkt mit der Geschäfts-Rochade deutlich: An Hofer gehen elf, an Lidl nur zwei Zielpunkt-Filialen. Und auch Rewe verkündete, dass in den „Großteil“ der Zielpunkte kein Penny, sondern ein Billa einziehen wird. Den Rest konnten Nischenplayer im Lebensmittelhandel und Vertreter anderer Branchen für sich beanspruchen.
Bis zu 1200 ehemalige Zielpunkt-Mitarbeiter dürften von den neuen Betreibern weiterbeschäftigt werden, die Verhandlungen laufen zum Teil noch. „Wir bieten allen rund 300 Mitarbeitern einen neuen Dienstvertrag an“, so Schurin von Rewe. Auch Spar-Sprecherin Nicole Berkmann hieß sie „herzlich willkommen“. Der Rest der 2700 Mann zählenden Stammbelegschaft – 1500 Menschen – muss sich nun jedoch anderweitig umsehen. 731 ehemalige Zielpunkt-Mitarbeiter meldeten sich bis gestern, Donnerstag, beim AMS Österreich.
Gute Aussichten für Gläubiger
Freimüller zeigte sich mit dem Ergebnis zufrieden. Aufgrund der guten Verwertungserlöse rechnet er mit einer zweistelligen Quote für die Gläubiger. Auch der Kreditschutzverband (KSV) schätzt sie auf zehn bis 20 Prozent. Bisher wurden 3000 Forderungen in Höhe von 85 Mio. angemeldet. Laut Freimüller könnten sie sich letztlich bei einer Summe von 120 Mio. einpendeln. Für kommenden Donnerstag ist im Zielpunkt-Insolvenzverfahren eine Prüfungstagsatzung anberaumt. Dann wird das Forderungsvolumen laut KSV feststehen. (loan/APA)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2016)