Referendum in Bolivien: Evo Morales und das "No"

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Der Präsident will bei einem Referendum am Sonntag eine Verlängerung der Amtszeit erreichen - möglichst bis 2025.

Nach drei Stunden kippt der Soldat ohnmächtig um, er fällt fast in sein Bajonett. Der junge Mann gehört zum Infanterieregiment der bolivianischen Präsidentengarde. Es ist über 30 Grad heiß in La Paz. Die Leibgarde kommt an ihre körperliche Grenzen. Drinnen im Parlament redet und redet Evo Morales, am Ende breitet der frühere Kokabauer fünf Stunden lang eine aus seiner Sicht üerbaus positive Regierungsbilanz aus.

Es ist ein Feiertag in der Hochlandmetropole. Zehn Jahre ist der Indio, der dem Stamme der Aymaras angehört, nun schon Präsident - so lange wie keiner zuvor seit der Unabhängigkeit von Spanien 1825. Es gab Zeiten, als das Land im Laufe des Tages von gleich vier Männern regiert wurde: Das war am 4. August 1981.

Aber der seit 2006 amtierende Präsident will noch mehr. Am Sonntag sollen die Bolivianer ihm, der ohnehin schon bis 2019 gewählt ist, per Referendum eine Änderung des Artikels 168 der Verfassung erlauben, damit er bis 2025 im Amt bleiben kann. Er würde gerne erst zum 200-Jahr-Jubiläum der Unabhängigkeit aufhören.

Autoritäre Züge und Korruption

Die nüchternen Zahlen sprechen für Morales: Zwischen 2005 und 2014 ging der Bevölkerungsanteil der Armen von 53 auf 29 Prozent zurück. Im Schnitt wuchs die Wirtschaft um 4,9 Prozent, dank guter Einnahmen aus dem verstaatlichten Gasgeschäft. Die Infrastruktur wurde stark ausgebaut. Kritiker werfen Morales aber autoritäre Züge, zu viel Einflussnahme Chinas auf seine Politik und Rohstoffförderung in ökologisch sensiblen Gebieten vor. Und Morales' Bewegung zum Sozialismus (Mas) ist in Korruptionsskandale verwickelt - in der indigenen Hochburg El Alto etwa, der zweitgrößten Stadt, wurde Bürgermeister Edgar Patana aus dem Amt gejagt, er sitzt im Gefängnis.

Bis ins kleinste Detail hat Morales Bolivien umgekrempelt, die Indios gestärkt. Das zeigt sich schon bei der Leibgarde, die an jenem heißen Tag im Jänner nicht zu beneiden ist. "Die können das aushalten. Das sind Bolivianer", meint Luis Aramayo Alvarez, Sicherheitsbeauftragter des Präsidenten. Die Gardisten tragen rote Uniformen, eine Hommage an das Regiment der Colorados, das 1879 im Pazifikkrieg gegen Chile kämpfte.

Damals verlor man den Meerzugang an Chile. Morales' außenpolitisches Ziel ist es, ihn zurückzubekommen. Dafür hat er Chile sogar vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag verklagt. Dieser verfügte, dass Chile mit Bolivien über einen souveränen Meerzugang verhandeln muss.

Vernachlässigte Mittelschicht

Zuletzt bröckelte die Zustimmung, auch weil sich Morales aus Sicht mancher zu sehr auf Programme für die Armen und Indios konzentriert. "Auf dem Land hat die Rechtlosigkeit spürbar zugenommen, Indios fühlen sich von Morales protegiert und dringen einfach in Häuser ein. Und für die Mittelschicht macht er kaum etwas", sagt die Studentin Shirley Isabel Flores Montano (22). Sie wird im Referendum mit "No" stimmen. Die tief gefallenen Rohstoffpreise gefährden zudem eine Fortsetzung der Investitionspolitik. So schwebt Morales eine kostspielige Bahnlinie vom Atlantik zum Pazifik quer durch sein Land vor, um den Handel zu stärken.

Viele Bürger finden 14 statt bis zu 19 Jahre "Evo" einfach genug. Die Umfragen schwanken, eine für die Zeitung "Pagina Siete" sagte zuletzt einen klaren Sieg des "No"-Lagers voraus. Das wäre eine schwere Schlappe. Wie würde der erfolgsverwöhnte Morales, der sich auf einer historischen Mission wähnt, damit umgehen? Wie fragil die Lage ist, zeigte sich erst am Mittwoch, als nach einer Demonstration für bessere Unterrichtsbedingungen das Bürgermeisteramt in El Alto gestürmt und Feuer gelegt wurde. Sechs Menschen starben.

(APA/DPA)

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