Syrien: Angriffe bis zur letzten Minute

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Vor der ab Samstag 0.00 Uhr geplanten Waffenruhe flogen syrische und russische Kampfflugzeuge noch massive Einsätze.

Damaskus/Riad. Offenbar sollten noch in den letzten Stunden des Kampfs auf dem Schlachtfeld Tatsachen geschaffen werden. Am Freitag flogen syrische und russische Flugzeuge schwere Angriffe auf Syriens Rebellen. Die oppositionelle Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete von Dutzenden Attacken gegen Ziele in den Provinzen Idlib, Aleppo, Hama und Homs. Auch das Umland der Hauptstadt Damaskus wurde massiv bombardiert.

Allein im Ort Daraja südlich von Damaskus setzte die syrische Luftwaffe seit Donnerstag laut Beobachtungsstelle 48 der international geächteten Fassbomben ein. Dabei handelt es sich um gewaltige Behälter, die mit Sprengstoff und brennbaren Materialen gefüllt sind, die oft aus Hubschraubern aus abgeworfen werden. Sie sind eine sehr unpräzise Waffe und werden deshalb zum großflächigen Wegsprengen ganzer Häuserzeilen benutzt – mit verheerender Wirkung für die Zivilbevölkerung.

100 Rebelleneinheiten beteiligen sich

Ab Samstag 0.00 Uhr Ortszeit (Freitag 23.00 Uhr MEZ) sollte in Syrien eine Waffenruhe gelten. Syrische Staatsmedien berichteten, das Regime werde Daraja aber auch nach Beginn der Waffenruhe weiter angreifen, weil dort Anhänger des al-Qaida-Ablegers al-Nusra-Front kämpften. Der Ort ist strategisch wichtig, weil in der Nähe ein Militärflughafen liegt. Regimegegner aus Daraja stellten jedoch klar, dass sich in dem Ort keine al-Nusra-Kämpfer befinden würden. Al-Nusra ist so wie die Extremistenorganisation Islamischer Staat (IS) von der auf amerikanisch-russische Initiative hin vereinbarten Waffenruhe für Syrien ausgenommen. Die Opposition fürchtet jedoch, das Regime könnte unter dem Deckmantel des Antiterrorkampfs gegen die Jihadisten auch die Angriffe auf andere Rebellengruppen und auf Städte der Opposition fortführen. Davor warnte am Freitag das wichtigste syrische Oppositionsbündnis. Zugleich erklärte es, dass seine Fraktionen bereit seien, eine vorläufige zweiwöchige Waffenruhe einzuhalten. Dazu gehören etwa 100 Rebelleneinheiten.

Moskau warnt vor „Alternativplänen“

US-Präsident Barack Obama forderte unterdessen Russland zu einer konstruktiven Rolle in Syrien auf. „Die nächsten Tage sind entscheidend, und die Welt schaut hin“, sagte Obama in Washington. Es müsse gewährleistet werden, dass das Bombardement eingeschlossener Städte aufhöre und dass humanitäre Hilfe zu Bedürftigen gelange. Eine Lösung in Syrien mit dem gegenwärtigen Machthaber, Bashar al-Assad, an der Spitze könne er sich nicht vorstellen, erklärte Obama.

Russlands Außenminister, Sergej Lawrow, reagierte darauf prompt: Obamas Aussage, dass Assad kein Teil der Friedenslösung sein könne, sei ein Verstoß gegen die russisch-amerikanische Vereinbarung zur Syrien-Feuerpause, sagte Lawrow. Er warnte die USA vor „Alternativplänen“ für das Bürgerkriegsland – etwa die Einrichtung einer Flugverbotszone. (APA/Reuters)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2016)

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