Werner Schlager: "Den Nervenkitzel habe ich vermisst"

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Tischtennis-Ass Werner Schlager, 43, spricht vor der Team-WM über seine Rückkehr, Anwaltsbriefe und das anstehende Duell mit China.

Sie stehen nach knapp dreijähriger Wettkampfpause bei der Team-WM in Kuala Lumpur wieder an der Platte. Was war ausschlaggebend für diesen Schritt?

Werner Schlager: Die Hauptmotivation war es, bei der Weltmeisterschaft keine geschwächte Mannschaft zu stellen. Nach dem krankheitsbedingten Ausfall von Daniel Habesohn wäre dies der Fall gewesen, deshalb habe ich mich zu Verfügung gestellt. Es wird aber nicht so sein, dass der Ex-Weltmeister Schlager kommt und die anderen im Team hinterhertorkeln. Nein, ich nehme meine Rolle als Ersatzmann an.

Im Vorfeld wurde viel über Ihr fortgeschrittenes Tischtennis-Alter gesprochen. Wie alt fühlen Sie sich?

Ich fühle mich auf keinen Fall wie 20, aber auch noch nicht wie 50. 43, das kommt schon hin. Ich merke, dass der Körper nicht mehr so leistungsfähig ist wie mit Ende 20, aber die Anforderung an mich selbst ist auch eine andere. Es ist nicht so, dass ich drei Tage durchgehend zwei Mal täglich trainiere und dann auch noch Meisterschaft spiele. Dieser harte Leistungssport verbunden mit Training, das ist nicht mehr mein täglich Brot. Ich kann mir auch mit weniger Aufwand eine gute Leistungsfähigkeit erhalten.

Wie gut sind Sie denn noch?

Ich habe seit 2013 keine Pro-Tour-Turniere mehr gespielt, mir fehlt es also am breiten Vergleich. Aber nach Einheiten mit den Nationalteam-Kollegen oder internationalen Trainingsgästen in der WSA (Werner Schlager Academy, Anm.) glaube ich mich gut einschätzen zu können. Spielerisch wähne ich mich unter den Top 100 der Welt.

Inwieweit kann man das Spiel überhaupt verlernen?

Das Tischtennis verändert sich ständig, mit dem Spiel von vor zehn Jahren gewinnst du heute nichts mehr. Der Sport ist schneller, körperlich anstrengender geworden. Dazu haben auch Regeländerungen wie der größere Ball oder die kurzen Sätze beigetragen. Und: Das Spiel ist brutaler geworden. Früher ist man mit Chancen wesentlich entspannter umgegangen, man musste nicht jede nutzen. Heute musst du jede Chance, die sich auftut, auch verwerten. Denn, wenn du es nicht tust, dann tut es der Gegner.

Aber fehlt es Ihnen nicht an Matchpraxis?

Den richtigen Schlag zur richtigen Zeit zu spielen, das lässt sich auch trainieren. Ich habe eher andere Sorgen.

Nämlich?

Ich habe mir immer schon gegen Leute schwergetan, deren Spielweise ich nicht kenne. Diese mir unbekannten Spieler sind in meiner Abwesenheit mehr geworden. Mein Schlagrepertoire ist sehr groß, nur muss ich wissen, was ich gegen wen einsetzen kann. Bis man sich dieses Wissen angeeignet hat, sind schnell zwei Sätze vorbei.

Glauben Sie, Sie werden bei Ihrem ersten Match besonders nervös sein?

Das ist ähnlich wie bei einem großen Künstler, der die Bühne betritt. Ich habe noch von keinem gehört, den es komplett kalt lässt. Alle reden von einem notwendigen Lampenfieber, aber genau das, diesen Nervenkitzel, habe ich vermisst. Ein erhöhter Puls gehört dazu, um leistungsfähig zu sein. Genau darauf freue ich mich, auf diese Match-Situationen, die Kulisse, das Drumherum.

Warum haben Sie sich mit Ihrer Rückkehr so lang Zeit gelassen?

Aufgrund der Malversationen rund um die WSA, Schwechat, das Multiversum – all das war und ist eine Belastung. Ich hatte großen Druck, auch in Bezug auf meine Mitarbeiter. Die Situation hat es unmöglich gemacht, mich voll auf Tischtennis und das Training zu konzentrieren. Ich habe jahrelang keine internationalen Turniere bestritten, folglich wurde über meinen Kopf hinweg entschieden, dass ich in der Tischtennispension bin. Das fand ich ehrlich schade. Vor einigen Monaten wurde ich vom Land Niederösterreich als Legende geehrt. Später habe ich erfahren, dass die Voraussetzung für diese Ehrung das Ende der aktiven Karriere ist (lacht).

Wohin soll Ihre Reise nun noch führen, welche Pläne schmieden Sie?

Keine Ahnung, es ist nichts Konkretes geplant. Mir hat die Bezeichnung auch nicht gefallen, aber ich habe diese Teilnahme an der Team-WM selbst als Comeback bezeichnet. Ich sehe es als eine Rückkehr auf die internationale Bühne als Vertretung eines erkrankten Teamkollegen. Mehr ist es vorerst nicht.

Bei der WM treffen Sie in der Gruppenphase unter anderem auf China. Verspüren Sie Vorfreude oder eher Angst?

Auf ein Duell mit den Chinesen kann man sich nicht freuen. Man hofft, dass sie einem gut gesinnt sind und uns einen Satz gewinnen lassen. Freuen tue ich mich auf die Spiele gegen Konkurrenten auf Augenhöhe, vielleicht ist Nordkorea so einer. Aber da wissen wir nicht, ob sie den Schläger halten können oder uns aus der Halle schießen.

Ist Ihre Rückkehr im Tischtennisland Nummer eins auch ein Thema?

Ja, sogar ein großes. Das lässt sich in den einschlägigen chinesischen Tageszeitungen nachlesen.

Machen Sie Ihre Zukunft vom Abschneiden bei der WM abhängig?

In gewissem Maße schon. Aber es geht nicht darum, wie viele Punkte ich gegen wen mache, sondern wie ich meine Leistungsfähigkeit beurteile. Am wichtigsten ist dennoch, dass alle Probleme rund um die WSA gelöst werden.

Die WSA musste Insolvenz anmelden. Was ist denn der Status quo?

Ich habe erst kürzlich das Urteil der Schiedsklage gegen Mitgesellschafter Martin Sörös erhalten, es war erfreulich. Wenn man nach einem jahrelangen Rechtsstreit recht bekommt, ist das schön. Aber derzeit sind so viele Dinge in Bewegung, was Stadt, Bund, Land, Förderungen betrifft, dass man noch nicht sagen kann, wohin die Reise geht. Es wird sich zeigen, ob Österreich ein Sportland oder ein Kulturland ist, wie hierzulande künftig mit Werner Schlager und einem Tischtenniszentrum umgegangen wird.

Können Sie all diese Gedanken, die Belastungen, dieser Tage überhaupt ausblenden?

Natürlich nicht. Wenn man jeden Tag per Mail Anwaltsbriefe erhält, kann man nicht mit 100 Prozent bei der Sache sein. Aber das muss man auch nicht. Wenn man gedanklich zu 100 Prozent beim Tischtennis ist, macht man sich auch verrückt.

Steckbrief

Werner Schlager wurde am 28. 9. 1972 in Wr. Neustadt geboren und ist der erfolgreichste Tischtennisspieler Österreichs. Schlager ist mehrfacher EM-Medaillengewinner, 2003 gewann er in Paris als bislang letzter Nicht-Chinese WM-Gold.

In den vergangenen Jahren zog er sich zurück, bestritt keine Turniere mehr. Bei der Team-WM in Kuala Lumpur (28. 2. – 6. 3.) ist er der Ersatzmann für den erkrankten Daniel Habesohn.

In der Gruppenphasetrifft Österreich auf Titelfavorit China, Taiwan, Griechenland, Tschechien und Nordkorea.

Die ÖTTV-Damen messen sich mit Hongkong, Südkorea, Russland, den USA sowie Schweden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.02.2016)

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