Als eine Art Vorband von US-Präsident Barack Obama besuchte Heinz Fischer die sich öffnende kommunistische Zuckerinsel – und startete eine österreichische Charmeoffensive.

Sichtlich euphorisch kehrt Heinz Fischer mit seiner Delegation abends vom Staatsbankett mit Raúl Castro zurück. Zwei Stunden waren für den Höhepunkt des österreichischen Staatsbesuchs im pompösen Präsidentenpalast in Havanna eingeplant. Es wurden dann drei Stunden 40 Minuten, wie Fischer vorrechnet. Castro sei immer lockerer geworden, berichtet Fischer, der dies auf die gute Beziehung zwischen Österreich und Kuba, seine Besuche in Kuba und seine persönlichen Treffen mit den Castros zurückführt. Es war aber der erste offizielle Besuch eines Bundespräsidenten in Kuba.
Zudem gilt es, ein kleines Jubiläum zu feiern: 70 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Österreich und Kuba. Und natürlich geht es um die Wirtschaft: Der Handel zwischen beiden Ländern hat ein vergleichsweise überschaubares Volumen – das soll nun wachsen. Fischer: „Das Volumen der bilateralen Im- und Exporte ist noch nicht imponierend.“ Immerhin steht nicht nur der historische Besuch Barack Obamas kurz bevor, sondern auch das Ende der Wirtschaftssanktionen. Dann will Österreich auch ein Stück vom Kuchen. Bei näherem Hinhören wird das aber doch mehr als schwierig, da der bis auf Weiteres wohl nicht sehr viel größer werden dürfte.
Zu groß sind Bürokratie und staatlicher Einfluss, wie es von Wirtschaftskammer, deren Außenhandelsspezialisten und in der Botschaft in Havanna unisono heißt: In Kuba reden zwar alle von wirtschaftlichen Reformen, etwa der Währungsreform, es passiere nur nichts. Und: Alle Parameter in dem karibischen Land würden aktuell für Investitionen sprechen, es investiere nur kaum einer, wie es Österreichs Botschafterin Gerlinde Paschinger überraschend offen sagt.

Tischler ohne Holz
Das gar nicht so heimliche Vorbild China – kommunistische Führung für einen teils freien Markt – findet hier nur auf dem Papier Nachahmung. Zu bürokratisch, korrupt und absurd organisiert ist der Ein-Parteien-Polizeistaat mit seiner charakteristischen Mangelwirtschaft. Da wird etwa endlich der freie Beruf des Tischlers „zugelassen“, der dann aber leider kein Holz kaufen darf.
Erwirtschaftet ein teilprivates Unternehmen hohe Gewinne, bleibt davon kaum etwas übrig, die Steuerbelastung wächst überproportional. Bei wirklich großem Erfolg droht mitunter sogar die Vollverstaatlichung. Von Bestechung und Behördenwillkür ganz zu schweigen. Ein Blick auf die langen Schlangen vor der US-Botschaft und die ängstlich Wartenden in einem nahen Park zeigt: Hier wollen viele vor allem schnell weg.
Wie schwierig das auch alles politisch ist, durfte Justizminister Wolfgang Brandstetter erleben: Er war mitgereist, um ein neues Rechtshilfeabkommen zu unterzeichnen – ein problemloser Fixtermin eines solchen Harmonietreffens, möchte man meinen. Doch die Kubaner weigerten sich, eine Datenschutz-Richtlinie umzusetzen, wie sie für die EU Usus ist. Also wurde nichts aus der kameragerechten Unterschrift. Stattdessen: weitere Verhandlungen.
Das kommt beim österreichisch-kubanischen Wirtschaftsforum im traditionsreichen Hotel Nacional natürlich nicht zur Sprache. Da schwingt Christoph Matznetter, Kammer-Vize und SPÖ-Abgeordneter, eine Rede und lobt die wenigen Österreicher, die es auf der Insel geschafft haben: So stamme etwa die überwältigende Anzahl aller Stempel, die auf Kuba verwendet werden, von einem österreichischen Produzenten: der Firma Trodat. Wenn es um Bürokratie gehe, könne man von Österreich lernen. Später weist ein Vertreter des hoch spezialisierten Unternehmens darauf hin, dass man nicht nur traditionelle Stempel, sondern auch innovative Produkte herstelle.
Castro: Annäherung an USA
Aber da geht es während des Staatsbesuchs schon wieder um Welt- und Europapolitik: Fischer berichtet beeindruckt von Castros Bekenntnis zur Annäherung an den ehemaligen Erzfeind USA. Und ja, natürlich habe er klar und deutlich Menschenrechte und deren Verbesserungswürdigkeit in Kuba angesprochen. Castro, der als Reformer gilt, soll das als Thema genannt haben, das vor allem die Amerikaner nutzten, um Kuba auf die Anklagebank zu bekommen – trotz eigener Sünden wie Guantánamo. Dass Meinungs- und Pressefreiheit in der Palmen-DDR bei Bedarf auch brutal unterdrückt wird, war so explizit offenbar kein Thema.
Einen Tag später steht Fischer vor Studenten der Uni Havanna und ist plötzlich wieder in der Realität fern von Palmen und Operetten-Polizeistaat angekommen: Beim Thema Flüchtlinge und Brexit sei die EU an einem historischen Wendepunkt angelangt. Er wolle nicht, dass künftige Generationen der heutigen Politik vorwerfen könnten, bei der Hilfe für Flüchtlinge versagt und das europäische Projekt beschädigt zu haben, so Fischer. Ein interessantes Gedankenspiel: Was werden wohl künftige Generationen von Kubanern über die europäische Politik von Zuckerimport und Kuschelkurs gegenüber ihrem Regime sagen?
("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2016)