Teil 1: So tickt die Uhrenbranche

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Die Uhrenindustrie 2016 – Teil 1: Das heurige Jahr wird ein herausforderndes für die Uhrenindustrie werden. Die Produkte sind gut, die Rahmenbedingungen schwierig.

Für die Baselworld 2016, die Weltmesse für Uhren und Schmuck, dehnen wir unsere allwöchentliche einseitige Uhrenberichterstattung auf vier Seiten aus. Das ist der erste Teil, Teil 2 erscheint am 18. 3. Mit 21.522.300.000 Schweizer Franken exportierte die Schweizer Uhrenindustrie 2015 um 3,3 Prozent weniger Uhren als noch im Jahr davor. Offizielle Zahlen die Schweiz betreffend liegen uns keine vor, wie man inoffiziell jedoch hört, sollen sich die Eidgenossen voriges Jahr ganz gut geschlagen haben. Die uns hier zur Verfügung stehenden Zahlen stammen vom Schweizer Zoll, und sie illustrieren lediglich den Export an Schweizer Uhren in die ganze Welt. Österreich schnitt gar nicht so schlecht ab: Mit 305 Millionen Schweizer Franken wurden um 15,3 Prozent mehr Schweizer Uhren in die Alpenrepublik importiert als im Jahr 2014. Die publizierten Exportzahlen für den Anfang des Jahres 2016 lassen vorerst einmal nichts Gutes erwarten, denn es geht weiter bergab. Grund dafür sind insbesondere die Märkte in Hongkong, China, Singapur und Russland und die allgemeine Kauflaune der Konsumenten. Das Beispiel Paris zeigt, wie schnell es gehen kann: Die französische Hauptstadt wurde vergangenes Jahr von Touristen förmlich überrannt und diese ließen überall die Kassen klingeln. Die zweistelligen Zuwachsraten in den großen Pariser Uhren- und Luxusboutiquen wurden durch die Anschläge vor Ort jäh gestoppt. Auch in anderen europäischen Städten, die von diesem Boom profitierten, versiegte der Touristenstrom quasi über Nacht. Es waren vornehmlich die chinesischen Reisegruppen, und es wird heuer wieder stark davon abhängen, ob, wann und wohin diese ausströmen und wo sie einkaufen.

Zu hoch hinaus. Die Nachfrage nach Luxus, nach Schweizer Armbanduhren, ist ungebrochen, Geld, das ausgegeben werden kann, wäre genug da, nur die weltweiten Rahmenbedingungen stimmen eben nicht. Hongkong, das ehemalige große Duty-free-Mekka der Chinesen, will nicht mehr so richtig in die Gänge kommen. Das liegt daran, dass es sich die lokalen Händler, Hotels und Gas-tronomen in Hongkong selbst mit den vielen Reisegruppen verscherzt haben, und sicher ebenso daran, dass man heute eben gern auch einmal woanders einkauft. Insider berichten davon, dass Hongkong zu hoch hinaus wollte. Japan und Europa standen voriges Jahr ganz oben auf den Wunschdestinationen der vielen, vielen Chinesen. Wo die Touristenströme heuer die Geschäfte nachhaltig beleben werden, das wird sich in Kürze zeigen. Eines ist sicher: Europa, vorausgesetzt, es passiert nichts Schlimmes, wird auf alle Fälle wieder zu den Gewinnern zählen. Nebst auf Touristen zu setzen wird die erfolgsverwöhnte Uhrenindustrie das lokale Geschäft wieder ankurbeln müssen. Das einst schier ungebremste Wachstum in China hat viele Hersteller auf die traditionellen Heimmärkte einfach vergessen lassen. Und das eigentlich völlig zu Unrecht, denn es gibt da genügend interessierte Käufer für eine hochwertige Armbanduhr. Der lokale Kunde kauft nicht so emotionell und markengetrieben wie jener aus China, er stellt die eine oder andere kritische Frage mehr, er vergleicht und lässt sich ausführlich beraten, aber er kauft. Stimmen die Produkte, stimmen die Preise, dann ist er ein guter und ebenso treuer Kunde.

Hätten die Schweizer in den vergangenen Jahren ihr Wachstum selbst etwas gezügelt und sich nicht mehr nur nach dem Aufwärtstempo Chinas gerichtet, dann würde die Delle heute nicht so groß sein. Damit erst gar kein Zweifel aufkommt: Der Schweizer Uhrenindustrie geht es immer noch sehr gut. Die Verkaufszahlen bremsen sich jetzt, nach vielen Jahren unentwegten Wachstums, vorerst einmal auf sehr hohem Niveau ein. Von einer veritablen Krise ist man jedoch weit entfernt. Selbst dann, wenn man mitunter liest, dass der eine oder andere Betrieb zeitweise auf Kurzarbeit umstellen muss oder sogar Leute entlassen werden. Der Luxusgüterkonzern Richemont, berichtete die Schweizer Zeitung „Le Temps“ jüngst, will etwa 300 Mitarbeiter kündigen. Gleichzeitig betont Richemont aber, an den nachhaltigen und kostenintensiven Investitionen bei Cartier, IWC Schaffhausen, Piaget und Vacheron Constantin festhalten zu wollen. Ja, es gibt Überkapazitäten und die müssen nun intelligent bereinigt werden. Dabei muss jeder selbst wissen, ob er deshalb qualifizierte Mitarbeiter entlassen will oder nicht. Die Swatch Group wird dem Beispiel vermutlich nicht folgen und in gewohnter Tradition die Verlangsamung der Geschäfte abermals dazu nutzen, um ihre Mitarbeiter noch besser auszubilden. Zeiten wie diese bieten auch Chancen: Man kann Dinge nachholen und sich für die Zukunft noch besser rüsten. In gut zwei Monaten erscheint die nächste Ausgabe unseres Uhrenjournals „Luxury Times“. Bis dahin liegen uns sicherlich neue aussagekräftigere Zahlen und Fakten vor, über die wir dann ausführlich berichten werden.

Gute, ja sogar sehr gute Produkte. An Attraktivität und Qualität fehlt es den Neuheiten wie immer nicht. Eine mechanische Armbanduhr deutscher oder Schweizer Provenienz zählt immer noch zum Besten, wofür man sein Erspartes ausgeben kann. Die Zeiten der Verrücktheiten sind allerdings vorbei. Tickende Gehirngespinste lassen sich nicht mehr verkaufen. Heute punkten längst wieder kleine, feine Komplikationen, schlichte Dreizeigeruhren und der eine oder andere Chronograf, sofern er mit etwas Besonderem aufwarten kann. Wichtig bei allen Entwicklungen ist der Preis. Stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis, dann steht einem Erfolg kaum etwas im Weg. Immer wichtiger für den Käufer ist die Marke selbst. Gibt es eine nachhaltige Geschichte? Kann man der Marke vertrauen? Wie steht diese international da, investiert sie in Nachhaltigkeit und die Zukunft? Wie steht es um das Service? Die aktuellen Rahmenbedingungen, die Verlangsamung der Geschäfte wird zu einer weiteren Selektion führen und das Markensterben vorantreiben. Wir dürfen davon ausgehen, dass in den kommenden Jahren die eine oder andere heute noch bekannte Uhrenmarke von der Bildfläche verschwinden oder einfach in den Bereich der Bedeutungslosigkeit zurückgedrängt werden wird.

Kommen wir nochmals auf das Preis-Leistungs-Verhältnis zurück: In den vergangenen Jahren haben zahlreiche Hersteller konsequent in die industrielle Fertigung investiert oder sich im Rahmen der Möglichkeiten ihres Konzerns weiterentwickelt. Dadurch wird heute eine Vielzahl von preislich besonders attraktiven Zeitmessern angeboten, die über eigene Mechanik unter dem Zifferblatt verfügen und zudem qualitativ nachhaltig überzeugen. Das jüngste Beispiel: Frédérique Constant hat gerade angekündigt, ein ewiges Kalendarium im Stahlgehäuse unter 8000 Euro auf den Markt zu bringen. Wir werden diesen Zeitmesser mit hauseigenem Automatikuhrwerk und selbst konstruiertem ewigen Kalendarium im Teil zwei unserer Baselworld-2016-Berichterstattung hier im „Schaufenster“ zeigen. Heute schon zeigen wir Ihnen die Sensation aus dem Hause TAG Heuer: Der „Carrera Calibre Heuer 02T Chronograph Tourbillon COSC“, mit vollständig hausintern entwickeltem und gefertigtem Chronografen-Flyback- und Tourbillon-Mechanismus im Titangehäuse wird für unter 16.000 Euro feilgeboten.

Auch Eterna meldet sich zurück: Der neue „Super Kontiki Chronograf“ verfügt ebenso über hauseigene Mechanik und kostet gerade einmal 4650 Euro. Auch Alpina, die Tochtermarke von Frédérique Constant, lässt sich nicht lumpen und zeigt den „Alpiner 4 Manufacture Flyback Chronograph“ für lediglich 3995 Euro. Diese Preise und Entwicklungen spiegeln eine neue Generation von Zeitmessern wider, und das ist erst der Anfang. Immer bessere und günstigere Fertigungsmethoden werden noch so manche Sensation entstehen lassen. Da ist noch viel Luft nach oben.

Tipp

Baselworld 2016: 17.–24. März 2016, Messe Basel, Schweiz
Öffnungszeiten: Täglich von 9–18 Uhr (außer Do., 24. März: 9–16 Uhr)
Eintrittspreise: Tageskarte: 60 CHF, Dauerkarte: 150 CHF

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