Seit Juli 2011 ist Breivik in Isolationshaft. Der Prozess ist ein schmaler Grat zwischen Rechtsstaatlichkeit und dem Geltungsbedürfnis eines Mörders.
Gut viereinhalb Jahre nach seinen Bluttaten erscheint der norwegische Attentäter Anders Behring Breivik ab Dienstag erneut vor Gericht - diesmal allerdings als Kläger: Der inzwischen 37-jährige islamfeindliche Rechtsextremist klagt gegen den Staat, um bessere Haftbedingungen zu erreichen.
Breivik, der Mörder von 77 Menschen, sitzt seit fast fünf Jahren in Isolationshaft. Er bekommt keinen Besuch von anderen, hat keinen Kontakt zu Mithäftlingen und seine Briefe werden abgefangen. Nun klagt er gegen seine "unmenschliche" Behandlung.
Bis Freitag soll im Gefängnis von Skien rund hundert Kilometer südwestlich von Oslo über die Klage entschieden werden. Breiviks Isolationshaft wirkt sich nach Angaben seines Rechtsbeistandes verheerend auf die "psychische Gesundheit" des verurteilten Massenmörders aus. Konkret klagt Breivik wegen "unmenschlicher und entwürdigender" Behandlung. Er kritisiert auch die Einschränkung seiner postalischen Kontakte - eine Maßnahme, die von den Behörden als nötig erachtet wird, um die Bildung eines extremistischen Netzwerks zu verhindern. "Das ist eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung", schreibt sein Anwalt Öystein Storrvik in der Anklageschrift und sieht darin einen Verstoß gegen die Artikel 3 und 8 der Europäischen Menschenrechtskonventionen, zu denen sich Norwegen verpflichtet hat.
Breivik sucht das Rampenlicht
"Breivik will sich einen Platz am Rednerpult verschaffen, das ist ganz klar", meint Lisbeth Kristine Röyneland von der Unterstützergruppe für die Angehörigen und Opfer der Anschläge vom 22. Juli 2011 gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. "Ich bin sicher, dass er versuchen wird, über seine rechtsextremen Ansichten zu sprechen." Doch sie vertraue darauf, dass das Gericht das unterbinden werde.
Drei Stunden lang will Breivik am Mittwoch über seine Haftbedingungen referieren. Außerdem sollen Ärzte und Gefängnismitarbeiter aussagen. Das Verfahren findet aus Sicherheitsgründen im Sportsaal des Gefängnisses in Skien statt. So kann sich das Gericht gleich selbst die drei Zellen, die Breivik zur Verfügung stehen, anschauen.
Über die Frage, wie öffentlich der Prozess "Breivik gegen den Staat" sein soll, wurde im Vorfeld viel gestritten. Während das Strafverfahren 2012 größtenteils im norwegischen Fernsehen übertragen wurde, findet nun das meiste unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
Nachdem seine Mutter vor drei Jahren gestorben ist, habe Breivik nur noch einen privaten Besucher gehabt. Soziale Kontakte beschränkten sich auf das Gefängnispersonal. Selbst er als Anwalt könne mit ihm nur durch eine Glasscheibe sprechen, sagt Storrvik. "Ich habe die gefährlichsten Verbrecher Norwegens verteidigt, bevor Breivik so bezeichnet wurde. Aber das habe ich noch nie erlebt."
Rechtsstaat auf dem Prüfstand
Kjetil Mujezinovic Larsen, Professor am Norwegischen Zentrum für Menschenrechte an der Universität Oslo, glaubt nicht, dass Breivik mit seiner Klage durchkommt. Auch wenn er recht isoliert ist, so sei doch das physische Angebot recht gut. Er habe es warm, könne trainieren und komme täglich an die frische Luft.
Larsen hält es allerdings für möglich, dass die Dauer von Isolationshaft überdacht wird. Bisher gibt es keine Begrenzung, für wie lange ein Häftling der Kontakt zu anderen Menschen verweigert werden darf. Doch selbst wenn Breivik mit seiner Klage durchkäme, wäre das in den Augen des Menschenrechtsexperten keine Niederlage. "Es würde nur beweisen, dass unsere Rechtsstaatlichkeitsprinzipien funktionieren."
(APA/dpa)