Breivik will Kontakt zur Außenwelt

June 15 2012 Oslo Norway Norwegian mass murderer and right wing extremist ANDERS BEHRING BREIV
June 15 2012 Oslo Norway Norwegian mass murderer and right wing extremist ANDERS BEHRING BREIV(c) imago/ZUMA Press (imago stock&people)
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Der Massenmörder hat den Staat geklagt: Die Isolation sei eine Verletzung der Menschenrechtskonvention. Zudem will der Rechtsextremist eine neue Playstation.

Stockholm. Die einen halten es für grauenhaft, die anderen für rechtsstaatlich notwendig. Am heutigen Dienstag beginnt ein voraussichtlich viertägiger Prozess rund um den Utøya-Massenmörder Anders Behring Breivik (37). Er hat den Staat Norwegen wegen unmenschlicher Haftbedingungen geklagt. Aufgrund der hohen Sicherheitsrisken wird der Prozess direkt in der Turnhalle von Breiviks Gefängnis im Ort Skien, rund 100 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Oslo, stattfinden.

Der Rechtsextremist Breivik sitzt in Isolationshaft und fordert den Kontakt zu anderen Insassen. Zudem verlangt er einen unzensurierten Briefverkehr mit der Außenwelt, bessere Weiterbildungsmöglichkeiten sowie eine neue Playstation, weil seine zu alt sei. Vor allem die Isolationshaft für jemanden, der voraussichtlich lebenslänglich im Gefängnis sitzt, sei eine Verletzung der europäischen Menschenrechtskonvention, macht Breivik geltend. Er leide an „deutlichen psychischen Isolationsstörungen“, wie sein Anwalt, Øystein Storrvik, festhält. Breivik habe deshalb einen Teil seiner Lebenslust eingebüßt.

Eine Zelle für Sport

Die Strafvollzugsanstalt und die Anwälte des Staates Norwegen halten die Einwände für unbegründet. Der Gefangene darf jeden Tag an die frische Luft, er darf eine Einkaufsliste abgeben, sein Essen selbst zubereiten und seine Kleider selbst waschen. Zudem hat er insgesamt drei Zellen zur Verfügung, dazwischen darf er sich frei bewegen. Eine Zelle dient ihm als Aufenthaltsraum, eine weitere als Studierzimmer und die dritte für körperliches Training.

Breivik hat zudem Zugang zu einem Computer ohne Internetverbindung sowie einem Fernseher. Er darf telefonieren, Briefe verschicken und empfangen, wenn auch mit Überwachung und Einschränkungen. Zwar sei er völlig vom Rest der Anstalt und dem sozialen Leben der anderen Insassen isoliert, aber er dürfe private Besuche empfangen und habe täglich Umgang mit dem Anstaltspersonal, teilen die Verantwortlichen des Strafvollzugs mit. Darüber hinaus dürfe er persönliche Briefe, die nichts mit seinem Terroranschlag zu tun haben, uneingeschränkt empfangen und verschicken. In der Vergangenheit hat die Gefängnisleitung keine Schriftstücke weitergeleitet, mittels derer Breivik versucht hat, ein Terrornetzwerk mit Gleichgesinnten aufzubauen.

Was die Isolationshaft betrifft, werden Breivik gewisse, wenn auch nicht große Chancen vor Gericht eingeräumt. Allerdings sagen die Anstaltsärzte, dass die Isolation Breivik nicht geschadet habe. Zwar zeige er „periodenweise klare Anzeichen von Instabilität“, und auch „anormales Verhalten“ sei häufig beobachtet worden. Aber so sei Breivik bereits seit Beginn der Haftzeit gewesen. Mit der Isolation habe das nichts zu tun, halten die Ärzte fest.

Nun argumentieren auch einige Menschenrechtsaktivisten, dass selbst Breivik in einem humanen Rechtsstaat wie dem norwegischen nicht bis an sein Lebensende isoliert in Haft sitzen könne: Dann könne man gleich die Todesstrafe wieder einführen. Ein Großteil der Norweger hingegen, vor allem die Angehörigen von Breiviks Opfern, empfinden den Prozess als albtraumhafte Zumutung. „Wir haben den Leidtragenden geraten, sich so weit wie möglich von diesem Prozess abzuschirmen“, sagt Lisbeth Röyneland, Vorsitzende des Opferverbandes, dem Sender NRK.

Maximalstrafe wohl verlängert

Breivik hatte im Sommer 2011 im Osloer Regierungsviertel und auf der Insel Utøya 77 Männer, Frauen und Kinder umgebracht. Auf Utøya waren gerade junge Sozialdemokraten zu einem Feriencamp versammelt. Breivik wollte so die Sozialdemokraten für die Einwanderung von Muslimen nach Norwegen bestrafen, wie er später erklärte. 2012 wurde er zur Maximalstrafe von 21 Jahren verurteilt. Beobachter gehen davon aus, dass die Haft nach 21 Jahren verlängert wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2016)

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