Sozialminister Stöger möchte Geld von den Pensionen für den Arbeitsmarkt verwenden. Die SPÖ greift die ÖVP als „Sozialabbau“-Partei an.
Saalfelden/Wien. Der Bundeszuschuss zu den Pensionen lag im Vorjahr zwar jenseits der Zehn-Milliarden-Marke, aber um rund 300 Millionen unter dem Budgetvoranschlag für 2015. Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) hat schon eine Idee, um zu verhindern, dass die Mittel eingespart werden. Bei der SPÖ-Klubklausur in Saalfelden im Pinzgau sprach er sich offen dafür aus, die Millionen von den Pensionen zu dem ebenfalls zu ihm ressortierenden Arbeitsmarkt umzuschaufeln.
In seinem Referat vor den SPÖ-Parlamentsabgeordneten sprach der Sozialminister am Montag noch von 100 Millionen Euro. Eigentlich hätte er von mehreren 100 Millionen Euro sprechen sollen. Bei einem Pressegespräch stellte er dann klar, dass es bei der von ihm gewünschten Umverteilungsaktion um rund 300 Millionen Euro geht. Diese Mittel sollten nicht im allgemeinen Budgettopf bleiben – und damit gegenüber dem Voranschlag für 2015 gespart werden –, sondern angesichts von deutlich mehr als 400.000 Arbeitslosen vor allem in zusätzliche Qualifizierungsmaßnahmen für Jobsuchende fließen. In seinem Ressort wurde der „Presse“ außerdem erläutert, dass es sich auch nicht um eine einmalige Umschichtung handeln solle, die Mittel müssten vielmehr jährlich zusätzlich in Arbeitsmarktmaßnahmen fließen. Allerdings muss bei dieser Transaktion Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) erst mitspielen.
„Nicht weiter in die Krise hineinsparen“
Stöger begründete seinen Vorschlag damit, dass durch Reformmaßnahmen bei den Pensionen bereits Geld gespart worden sei. Das Sozialministerium hat in einer früheren Aufstellung die Einsparungen von 2009 bis 2019 mit rund neun Milliarden Euro beziffert. Allerdings nur gerechnet gegenüber den ursprünglich prognostizierten Pensionsausgaben. Denn in absoluten Zahlen steigt der Bundeszuschuss zu den Pensionen weiter. Er sprach sich wegen der hohen Arbeitslosenrate zudem entschieden gegen einen Sparkurs auch auf EU-Ebene aus: „Wir müssen aufhören, uns weiter in die Krise hinzusparen.“
Bei der Klubtagung positionierte sich die SPÖ klar gegen Pläne des Koalitionspartners ÖVP im Sozialbereich, vor allem bei der heftig umstrittenen Mindestsicherung. Eingangs hatte SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder die ÖVP bereits wegen der von den Sozialdemokraten abgeschmetterten Pensionsvorschläge als „Sozialabbau“-Partei gegeißelt. Es dürfe nicht immer nur „kürzen, kürzen und kürzen“ heißen, ergänzte der Sozialminister danach in seinem Referat.
„Schöne Grüße“ Faymanns ausgerichtet
Stöger meldete nicht nur den Wunsch nach der Millionen-Umverteilung von den Pensionen zum Arbeitsmarkt an. Dieses Geld soll für die Fachkräfteausbildung, für die Qualifizierung junger Menschen und für die Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt eingesetzt werden. Mitarbeiter des Arbeitsmarktservice (AMS) hatten im Vorjahr bei einer Demonstration vor dem Bundeskanzleramt unter anderem mehr Personal gefordert.
Der Sozialminister stemmte sich überdies den ÖVP-Forderungen nach Einsparungen bei der Mindestsicherung, der früheren Sozialhilfe, entgegen. Man wolle „Slums“ wie in anderen Städten im Ausland verhindern. Betroffene dürften nicht obdachlos werden oder Hunger leiden. Vor einer Verhandlungsrunde zwischen Bund und Ländern heute, Dienstag, bekannte sich Stöger aber zu Sanktionen, wenn Zuwanderer aus dem Ausland als Bezieher der Mindestsicherung Integrationsmaßnahmen verweigern.
Die Bundes-ÖVP sorgt sich jedoch um eine rechtzeitige Änderung der 15a-Vereinbarung mit den Ländern vor dem Sommer: „Ich erwarte mir, dass Minister Stöger einen genauen Fahrplan vorlegt, wie es zu einer 15a-Vereinbarung mit den Ländern kommt“, forderte ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka.
Stöger war es auch vorbehalten, „schöne Grüße“ von Bundeskanzler SPÖ-Chef Werner Faymann auszurichten. Dieser hatte, wie berichtet, die SPÖ-Klausur wegen seines Solo-Auftritts im ORF geschwänzt. (ett)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2016)