Ein Horrorfilm namens Hofburg

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Den Wahlkampf prägen Umfragen und Krisenszenarien. Die Frage lautet nicht: Moralonkel oder Anstandstante? Sondern: Österreich gut verkaufen oder nicht?

Ohne Ironie: Wir Journalisten sind Wiederholungstäter. Die Empörung klingt noch im Ohr. Von wegen Meinungsforscher lägen stets daneben und man dürfe keine Berichterstattung auf Umfragen aufbauen. Die Freiheitlichen in Oberösterreich, der Steiermark und im Burgenland waren über Wochen unter dem späteren Wahlergebnis gehandelt worden. In Wien gelang es Michael Häupl mit einem per Meinungsumfragen konstatierten Duell gegen Heinz-Christian Strache und darauf fixierte Medien sogar, ein Debakel am Wahlsonntag in ein winziges umzuwandeln. Real war der Zweikampf nie gewesen.

Nur wenige Monate später regieren wieder Meinungsumfragen den Wahlkampf, der zwar ohne große Bedeutung, aber dafür mit schönem Horrorgruseln von Teilnehmern und Berichterstattern inszeniert wird. Die ersten Wellen zarter Erregung löste die Vorstellung aus, SPÖ und ÖVP würden für die desaströse Koalition und Stimmung im Land abgestraft und stattdessen jene Kandidaten aus der Opposition gewählt, die möglichst wenig nach der jeweiligen Partei aussehen. Oder die Kandidatin, die die judikative mit der repräsentativen Gewalt tauschen möchte und dabei vergisst, dass die neue eben nicht die exekutive ist. Womit wir beim nächsten Teil dieses schaurig unterhaltsamen Horrorfilms im Nachmittagsprogramm wären: Die Kandidaten werden gefragt, ob sie FPÖ-Politiker mit oder ohne Säbel zum Kanzler oder Minister angeloben würden. Dass diese Partei auf Platz eins gewählt werden wird, ist also schon fix. Noch schaurig-spannender: Was würden sie in Krisen tun? Nationalrat auflösen? Regierung abberufen? Neu wählen?

Das ist zwar absurd, aber füllt Seiten und Sendungen. Und es geht noch unterhaltsamer: Würde Andreas Khol im Fall des Bürgerkriegs die Schützen einsetzen? Alexander Van der Bellen die Akademikerball-Demonstranten? Hofer die Burschenschaften? Hundstorfer den Gewerkschaftsblock? Würde Irmgard Griss per Eigenermächtigung mit den Verfassungsrichtern die Notregierung bilden? Lassen wir diese Gedankenexperimente und fragen wir, was ein Bundespräsident mitbringen muss. Da wäre einmal diplomatisches Verhandlungsgeschick, intern wie extern. Der nächste Präsident, die nächste Präsidentin sollte außenpolitisch beschlagen sein, um für den nicht sehr bedeutenden Kleinstaat passable Figur zu machen und im Idealfall ein bisschen Anteil an dem zu haben, was wir immer mehr vermissen: Stabilität und Zuversicht für Europa. Und nach innen: Dank der Performance von SPÖ und ÖVP wird die Bildung einer Regierung in Zukunft sicher schwieriger. Entweder muss also ein dritter Partner her oder rechts bzw. links das Wagnis mit der FPÖ. Jede Variante setzt noch mehr Beratung, Mediation und Guidance in der Hofburg voraus. (Dieser Anglizismus sei erlaubt, Führung sollte im Kanzleramt sein, im Haus gegenüber brauchen wir eine Mischung aus Steuerung und Bereitstellung eines Leitfadens.)

Der nächste Präsident wird noch stärker als die bisherigen schlichtes Maskottchen für das Tourismus- und Exportland Österreich sein. Welche politische Befindlichkeit oder moralischen Gefühle sie oder er hat, interessiert ab Abflug in Wien-Schwechat kaum einen. Da geht es um erfolgreiches Verkaufen und Werben für Österreich. Das muss man mögen. Und können. Zudem sei eine Frage erlaubt: Welcher der Kandidaten will wirklich in die Hofburg, kann sagen, warum und was sie/er dort tun wird. Andreas Khol und Norbert Hofer mussten aus Parteidisziplin einspringen. Rudolf Hundstorfer war ein glücklicher Rudi Sozialminister und glaubt, es sich und seiner Partei zu schulden, die schöne Karriere mit der Hofburg krönen zu müssen. Irmgard Griss kann nicht, ohne zu arbeiten, und entdeckte vor den Kameras für die Hypo-Kommission, dass Auftritte vor Medien schmeichelnder als jene vor Gericht sein können. Was sie in der Tagespolitik erwartet, beginnt sie erst zu verstehen. Alexander Van der Bellen wirkt deswegen so sympathisch, weil ihn sinnlose politische Auftritte, Repräsentieren und symbolische Machtpolitik nerven.

Anders formuliert: Egal, welche oder welchen der fünf wir wählen, man muss fast ein schlechtes Gewissen gegenüber der Kandidatin, dem Kandidaten haben.

E-Mails an: rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.04.2016)

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