Regierungskrise: Ukrainischer Premier gibt auf

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Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk hat seinen Rücktritt angekündigt. Nachfolger soll Parlamentspräsident Groisman werden.

Kiew. Seinen Entschluss teilte Arsenij Jazenjuk über den Kurznachrichtendienst Twitter mit: „Ich habe die Entscheidung getroffen, als Ministerpräsident der Ukraine zurückzutreten. Am Dienstag, den 12. April, wird mein Gesuch im Parlament eingereicht“, schrieb der Politiker in einer Nachricht am Sonntagnachmittag. Seine Sprecherin bestätigte kurze Zeit später, dass die Oberste Rada noch am selben Tag über den Amtsverzicht entscheiden solle.

Mit dem Rücktritt zieht Jazenjuk die Konsequenzen aus der seit Monaten andauernden politischen Krise der Regierung. Sie sei der Grund für seinen Rückzugsentschluss gewesen, sagte er in einer Fernsehansprache. Die Diskussion um seine Person habe die Beschäftigung mit den notwendigen Veränderungen im Land blockiert. In Umfragen war seine Zustimmungsrate zuletzt auf unter ein Prozent gesunken.

Jazenjuk hatte Mitte Februar trotz einer Rücktrittsaufforderung durch Präsident Petro Poroschenko ein Misstrauensvotum im Parlament überstanden: Die für eine Abwahl nötigen 226 Stimmen wurden mit 194 Abgeordneten, die das Votum unterstützten, deutlich verfehlt. Seit Längerem war Jazenjuk vorgeworfen worden, Reformen zu verschleppen und zu wenig gegen die Korruption zu tun. Es gab aber auch lange keine Einigung auf einen Nachfolger. Mittlerweile soll sich das prowestliche Lager auf Parlamentspräsident Wladimir Groisman als neuen Regierungschef verständigt haben.

Unterstützt wurde das Misstrauensvotum unter anderem von der Vaterlandspartei der früheren Regierungschefin Julia Timoschenko. Nachdem die Absetzung von Jazenjuk gescheitert war, verließ die Vaterlandspartei die Regierungskoalition. Auch andere Parteien haben sich aus dem Bündnis verabschiedet. Seitdem hatte Jazenjuk keine Mehrheit mehr. Alle Versuche, eine neue Koalition zu zimmern – zuletzt mit unabhängigen Parlamentariern –, scheiterten jedoch.

Machtkämpfe und Skandale

Seit dem Machtwechsel in der Ukraine im Frühjahr 2014 stand Jazenjuk an der Spitze der Regierung. In den vergangenen Monaten hatte sich das Verhältnis zu Präsident Poroschenko verschlechtert. Machtkämpfe und Korruptionsskandale behindern die Umsetzung der vom Westen geforderten Reformen und die Verhandlungen über neue Kredite des Internationalen Währungsfonds in Höhe von 1,5 Milliarden Euro. Die ukrainische Bevölkerung leidet unter steigenden Energiepreisen und Inflation. (ag./red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2016)

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